7. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

Mit über 130 Teilnehmern aus dem ganzen Bundesgebiet registrierte die "7. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik" einen Rekordbesuch und bestätigte ihren Ruf als eines der wichtigsten deutschen Foren für die Zusammenarbeit von Archiv und Schule und die Historische Bildungsarbeit in Archiven. Unter dem Motto "Nichtstaatliche Archive. Nutzen und Grenzen für Projektarbeit" wurde dabei erstmals gezielt die Archivwelt außerhalb von Staats- und Stadtarchiven in den Blick genommen. Der Karlsruher Schulpräsident Dr. Werner Schnatterbeck begrüßte die Karlsruher Profilierung, sah in der großen Teilnehmerzahl eine Bestätigung des eingeschlagenen Wegs und zeigte sich bei einer Besichtigung der präsentierten Projekte beeindruckt.

Dr. Robert Kretzschmar, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg und Vorsitzender des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare betonte in seinem Einführungsreferat die Bedeutung der Historischen Bildungsarbeit und die Chancen, die die Archive dabei als außerschulische Lernorte böten. Ausgehend von einem Bild beim Besuch der Queen in Stuttgart 1965 fächerte er archivische Recherchemöglichkeiten auf: vom Daimler-Chrysler-Archiv (Antworten zur Staatslimousine) über das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg (zur Mode der Zuschauer), das Landesmedienzentrum (offizielle Aufnahmen zum Staatsbesuch), das Archiv des Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Menukarte vom Staatsempfang) und das Archiv des SWR (Ton und Filmaufnahmen) bis zu den kirchlichen Archiven (zu den Vorfahren des Ministerpräsidenten). Die Vorstellung dieser Vielfalt der archivischen Landschaft mit Kirchenarchiven, Medienarchiven (SWR), Adelsarchiven über Archive bei Gedenkstätten bis zu denen in Museen eröffnete für eine große Zahl von Lehrerinnen und Lehrern eine unbekannte Welt, die für Projektarbeit und Unterricht zur Verfügung steht.

Als Vertreter des Kultusministeriums zeigte Dr. Thomas Hölz auf, dass mit dem Bildungsplan 2004 wesentliche Veränderungen in den Schulen Baden-Württembergs festgeschrieben worden seien. Es sei ein Wechsel vom ausschließlich auf Wissensvermittlung zielenden Unterricht hin zu Konzepten des "Selbstlernens" und der "Kompetenzvermittlung" angestrebt. Er stellte heraus, dass dabei Projekten zur Entdeckung und Erforschung eigener Lebenswelten eine besondere Bedeutung zukomme. Seine konkreten Vorschläge zur Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen und Archiven zielten auf intensivere Informationsvermittlung über archivische Angebote in den Schulen, aber auch auf Information und Praxis in der Lehrerausbildung - vom Studium bis zur Referendarzeit.

Diejenigen, die seit Jahren in der historischen Bildungsarbeit tätig sind, fühlten sich in ihrem Engagement bestätigt. Mit Genugtuung wurde in der von Prof. Dr. Volker Rödel vom Generallandesarchiv Karlsruhe geleiteten Diskussion registriert, dass diese Forderungen nicht mehr an die Schulverwaltung gestellt, sondern dort selber mit- und vorgetragen werden. Auch wenn der Aufwand für diese Art der Unterrichtsgestaltung hoch ist - wie auch die Anwesenden bestätigten -, sollte doch jeder Geschichtslehrer die Möglichkeiten und Chancen des "Lernorts Archiv" wenigstens kennen. Neue Chancen, solche Wege auch wirklich zu beschreiten, ergeben sich u.a. durch die Einführung der Ganztagsschulen, weil durch Projektarbeit am Nachmittag diese Ziele erreicht werden können, ohne dass regulärer Unterricht ausfallen muss.

Auf der nachmittäglichen Projektmesse war die Welt der Archive mit ihren vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten für die archivpädagogische Arbeit präsent. Neun (9) verschiedene nichtstaatliche Archive stellten sich und ihre Angebote für Schülerarbeit vor: Die Spannbreite reichte vom 'normalen' Archivbesuch im privaten Adelsarchiv oder im Archiv des SWR über vorbereitete Programme mit Archivgut und Zeitzeugen im Jüdischen Museum Berlin und der KZ-Gedenkstätte Mannheim-Sandhofen bis zu themenoffenen Angeboten in den Archiven der Evangelischen Kirche Badens, des Erzbischöflichen Archivs Freiburg oder des Baden-Württembergischen Wirtschaftsarchivs in Hohenheim. Für thematische Arbeiten boten sich die Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg und das Fotoarchiv des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg Karlsruhe und Stuttgart an.

Von Schülerseite wurden acht (8) ausgezeichnete Wettbewerbsbeiträge um den Preis des Bundespräsidenten 2005 "Sich regen bringt Segen - Arbeit in der Geschichte" vorgestellt, darunter die beiden besten Arbeiten aus Baden-Württemberg - von der Christiane-Herzog-Realschule Nagold (9. Kl.) und vom Bismarckgymnasium Karlsruhe (12./13. Kl.). Wie sehr eine frühe Beschäftigung mit der örtlichen Geschichte motivierend wirken kann, zeigte eine Gruppe von Viertklässlern aus Heimsheim, die Feuer gefangen hatten und begeisternd über ihre Ergebnisse berichteten.

In der Abschlussdiskussion wurden die Vorschläge beider Referenten insbesondere von den anwesenden Lehrerinnen und Lehrern dankend angenommen und als Bereicherung für die tägliche Arbeit angesehen. Aber auch für die Archivarinnen und Archivare boten die Hinweise und Gespräche mit den Pädagogen und den Schülerinnen und Schülern anregende Impulse. Für die Tagung 2007 soll - nach der Präsentation erfolgreicher Großprojekte in diesem Jahr - wieder der Alltag der Archivpädagogik im Mittelpunkt stehen: methodische Überlegungen für den Einstieg in die Archivarbeit ebenso wie Möglichkeiten, diese Arbeit zu verstetigen. Ein weiteres Mosaikstück des Karlsruher Kompetenzkerns Archivpädagogik.

Dr. Clemens Rehm, Landesarchiv Baden-Württemberg - Generallandesarchiv Karlsruhe