3. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

"Fragen zum eigenen Lebensumfeldes ermöglichen in hervorragender Weise, Schüler aller Schularten mit Traditionen und Zeugnissen der Vergangenheit vertraut zu machen". Dies war die einhellige Meinung der über 80 Lehrer und Archivare aus dem ganzen Bundesgebiet und der Schweiz, die die vom Generallandesarchiv Karlsruhe organisierte Tagung am 8. März 2002 zur Diskussion aktueller archivpädagogischer Fragestellungen nutzten.

Die Überlieferung der kommunalen Archive stand aufgrund des diesjährigen Themas "Ortsgeschichte" selbstverständlich im Mittelpunkt. Vom Stadtarchiv/Stadtmuseum Offenburg, zu dessen selbstverständlichen Daueraufgaben die Betreuung von Schulklassen und historischen Arbeitgemeinschaften gehört, trug die Museologin Anne Junk ein sehr differenziertes Konzept zur Schülerarbeit vor: Der Kontakt mit dem hauptamtlich besetzten Archiv beginnt mit Führungen, zur Vorstellung der Aufgaben des Archivs; anspruchsvoller sind dann Projekttage, bei denen anhand vorbereiteter Unterlagen - meist aus dem 19.⁄20. Jahrhundert - regelrechte Forschungsarbeiten durchgeführt werden. Zwei Gruppen pro Jahr können darüber hinaus in halbjährigen Projekten eigene historische Fragestellungen formulieren und dann mit Unterstützung des Stadtarchivs auch umsetzen. So konnte Realschulelehrerin Martina Bäck, ausgehend von der Frage nach den ersten Gastarbeitern in Offenburg, einen Film mit Zeitzeugengesprächen realisieren. Kreisarchivar Konstantin Huber lenkte in seinem grundlegenden Beitrag die Blicke auf die in jedem der 1111 baden-württembergischen Orte vorhandenen, aber bisher für Unterrichtszwecke kaum genutzten Ortsarchive und zeigte, welche Quellengruppen sich vom Heimat- und Sachkunde-Unterricht (Schulhausbau) bis zum Oberstufenunterricht mit anspruchsvollen Problemstellungen (lokale Abstimmungsergebnisse zum Südweststaat) anbieten. Allerdings setzt die Überlieferung in diesen in der Regel über die Kreisarchive erschlossenen Archive erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts ein. Auch hier konnte am Beispiel von Bernd Fischer mit einer Realschulklasse aus Buchen eindrucksvoll erlebt werden, wie anhand lokaler Akten die Unterbringung der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die einzelnen Häuser und dort die Belegung der Zimmer nachverfolgt werden konnte.

Dass Lehrern und Archivaren bei der Umsetzung archivpädagogischer Projekte medial keine Grenzen gesetzt sind, wurde demonstriert durch einen Kalender zum Ortsjubiläum von einer Grundschule (Dorothea Gauger, Grundschule Gaggenau-Oberweier), eine Diaserie über die älteste Kirche Villingens zum Tag des Denkmals (Rüdiger Schenkel, Gymnasium am Romäus-Ring) und eine CD-Rom über die Synagoge Bruchsal 1881-1938 samt einer Rekonstruktion der Synagoge im Maßstab 1:40 (Reiner Oberbeck, Gymnasium St. Paulusheim, Bruchsal). Eindruckvoll zeigte Hans-Jörg Gerste (Oscar-Walcker-Schule, Ludwigsburg), dass erfolgreiche archivische Projekte auch an der Berufschule gelingen können. Bei den Gesprächen zu diesen auf einem Ideenmarkt präsentierten Projekten, darunter auch die Gedenkstätten Rastatt und Ludwigsburg des Bundesarchivs, stellte sich heraus, dass viele der vorgestellten Projekte - wie z.B. der Kalender und ein historisches Stadtspiel - sich relativ unproblematisch auf andere Orte übertragen lassen. Das gilt auch für die direkte Quellenarbeit wie sie von Georg Weinmann (Dietrich Bonhoeffer-Gymnasium, Weinheim) und Wolf-Ulrich Strittmatter (Albert-Einstein-Gymnasium, Ravensburg) dargeboten wurde. Zum einen sind die gleichen Quellen mit differenzierten Anfragen für unterschiedliche Altersklassen zum Sprechen zu bringen, zum anderen müssen allerdings die infrage kommenden Quellen erst einmal von Lehrern oder Archivaren zusammengestellt werden, wie es in Ravensburg geschehen ist.

In der abschließenden Diskussion stand die Frage nach der pädagogischen Verankerung des Lernortes Archiv im Vordergrund. Archivpädagoge Joachim Pieper vom Hauptstaatsarchiv Düsseldorf verwies auf die in Nordrhein-Westfalen seit 1999 geltenden Richtlinien, in denen für die Oberstufe das Archiv als außerschulischer Lernort gilt, in dem der Schüler arbeiten muss. Für die Verankerung des Geschichtsbewusstseins bei den Schülern sei dies ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, allerdings benötigten die Archive dafür in ausreichendem Maß Mittel, um diese gesellschaftspolitisch wichtige Aufgabe fachgerecht begleiten zu können.

Wenn auch alle Beteiligten bestätigen konnten, dass die Archivarbeit mit Schülern aufwändig ist, so entschädigen nicht nur die überzeugenden Ergebnisse, sondern auch die bei den Schülern entstandenen Erfolgsgefühle, im schulischen Umfeld - wie die präsentierenden Schüler selber formulierten – "selber etwas geschafft zu haben, was sonst noch niemand gemacht hatte".

Dr. Clemens Rehm, Generallandesarchiv Karlsruhe