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02.08.2021

"Dieser Feind steht rechts"
Parallelen zwischen den Morden an Erzberger und Lübcke?

Die Leiche Matthias Erzbergers nach dem Mord am 26. August 1921 bei Bad Griesbach; Vorlage: Generallandesarchiv Karlsruhe 233 Nr. 28379.
Der Leichnam Matthias Erzbergers nach dem Mord am 26. August 1921 bei Bad Griesbach;
Vorlage: Generallandesarchiv Karlsruhe 233 Nr. 28379.

Lassen sich rechtsextreme Verbrechen vergleichen? Gibt es Parallelen zwischen den Morden rechtsextremer Täter in der Weimarer und in der Bundesrepublik? Mit einer Sonderfolge erinnert der SWR2 True Crime-Podcast "Sprechen wir über Mord?!" an die Attentate auf Matthias Erzberger und Walter Lübcke, zwischen denen rund einhundert Jahre liegen. In der aktuellen Folge, die seit 2. August abrufbar ist, ordnen Spezialisten aus Justiz und Geschichtswissenschaft die beiden Morde juristisch und gesellschaftspolitisch ein.

Vor 100 Jahren, am 26. August 1921, töteten Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz heimtückisch den Zentrumspolitiker Matthias Erzberger bei Bad Griesbach im Schwarzwald durch mehrere Schüsse aus nächster Nähe. Die Mörder waren Mitglieder der rechtsterroristischen "Organisation Consul". Ihnen galt Erzberger als "Novemberverbrecher", weil er am 11. November 1918 das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne unterzeichnet hatte – als Zivilist; kein Militär fand sich dazu bereit. Am 2. Juni 2019 erschoss der Neonazi Stephan Ernst den Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf der Terrasse seines Hauses. Lübcke war in der rechten Szene zum Todfeind erklärt worden, weil er sich öffentlich für die Rechte von Geflüchteten eingesetzt hatte.

In Zentrum der aktuellen Folge des SWR2 True Crime-Podcasts "Sprechen wir über Mord?!" steht die Frage nach möglichen Parallelen der beiden Bluttaten. Diese Frage erörtern der Jurist und ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer, der Leiter des Generallandesarchivs Karlsruhe Wolfgang Zimmermann, Heike Borufka, Gerichtsreporterin des Hessischen Rundfunks, und ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt (SWR). Sie diskutieren über Hintergründe, Zusammenhänge und mögliche Kontinuitäten rechter Gewalt in Deutschland.

Thomas Fischer stellt eine direkte Parallelisierung zwar in Frage, betont aber gewisse Kontinuitäten. Über rechtsradikale Täter von heute sagt er: "Das sind runtergekommene Gestalten, die meinen, mit solcher Symbolik sich gegenseitig aufputschen zu können. Rechtsradikale lieben Symbolik. Deshalb werden solche Bilder gesucht […] Es geht darum, zu sagen: 'Da könnt ihr mal sehen, wir machen das so wie damals, weil wir sozusagen die legitimen Erben dieser großen deutschen Bewegung sind.' Und die Leute, die ihr ganzes Leben damit verbringen, nach solchen Fetischen zu suchen, die hören das." Der ehemalige Vorsitzende Bundesrichter warnt aber davor, "dass man aus solchen Mördertypen oder Mordkomplotten nichts Größeres macht als es ist. […] Jetzt zu sagen: Wie weit sind wir schon auf dem Weg von der Weimarer Republik zum endgültigen Zusammenbruch der Demokratie, das würde ich für sehr gefährlich halten. Und man sollte diesen Dingen nicht mehr 'Ehre' zukommen lassen, als sie verdienen."

Wolfgang Zimmermann, Leiter des Generallandesarchivs Karlsruhe, rät dennoch zur Wachsamkeit: "Geschichte wiederholt sich nicht, aber auf Parallelen kann man schon mal schauen. […] Die Parallelitäten machen uns dafür sensibel, Vorwarnsysteme zu entwickeln. Und als Historiker weiß ich, es sind Dinge denkbar, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Dies gilt auch für die Weimarer Republik: Hätte man da eine wehrhafte Demokratie gehabt, hätte man vielleicht noch Dinge verhindern können, die nachher nicht mehr zu verhindern waren. Auch wenn unsere Demokratie heute gesichert ist, so gilt: Das ist kein Selbstläufer."

Die aktuelle Folge des Podcasts steht ab 2. August 2021 in der ARD-Audiothek und auf www.SWR2.de zur Verfügung.

Im SWR2 True Crime Podcast „Sprechen wir über Mord?!“ diskutieren der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer und ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt alle 14 Tage spektakuläre Kriminalfälle und ordnen sie juristisch ein. Alle Folgen sind in der ARD-Audiothek und auf SWR2.de zu hören.