Grenzüberschreitend - Digitale Zusammenführung der südbadischen Spruchkammerüberlieferung
Das Landesarchiv hat eine wegweisende Kooperation mit dem Diplomatischen Archiv des französischen Außenministeriums in La Courneuve geschlossen. In Frankreich aufbewahrte Entnazifizierungsakten vornehmlich aus Südbaden sollen digital zusammengeführt und online zugänglich gemacht werden. Im September hat das Diplomatische Archiv mit der Digitalisierung der Unterlagen begonnen.
Mit der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung haben der Direktor des Diplomatischen Archivs, Nicolas Chibaeff, und der Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg, Prof. Dr. Gerald Maier, den Grundstein für das grenzüberschreitende Projekt gelegt.
Als die französische Militärverwaltung endete und Baden Teil des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg wurde, gelangten umfangreiche Aktenüberlieferungen in das Archiv der französischen Besatzung in Deutschland und Österreich (Archives de l’occupation française en Allemagne et en Autriche) in Colmar. Seit den 1970er Jahren war bekannt, dass sich darunter Unterlagen befanden, die aufgrund der Zuständigkeit bei der Durchführung der Entnazifizierung eigentlich den deutschen Behörden hätten übergeben werden müssen. Bis das Bundesarchiv 2005 über einen ersten Besuch in Colmar berichtete, fehlten jedoch offizielle Hinweise zum genauen Umfang und Inhalt des Materials. Ein Zugang war nur erschwert möglich.
Zwei Jahre später konnte der damalige Leiter des Staatsarchivs Freiburg bestätigen, dass in Colmar auch Verfahrensakten der Spruchkammer Südbaden in großer Zahl lagen. Damit war das Rätsel nach dem Aufbewahrungsort jener Entnazifizierungsakten gelöst, die in den Findbüchern des Staatsarchivs zwar verzeichnet waren, aber in den Magazinen fehlten. Diese sollten noch ein weiteres Mal umziehen und befinden sich seit 2010 im Diplomatischen Archiv des französischen Außenministeriums in La Courneuve bei Paris.
Da die Unterlagen nicht nach Deutschland zurückgeführt werden, haben das Landesarchiv und das Diplomatische Archiv die digitale Zusammenführung des Freiburger Bestands vereinbart. Grundlage hierfür bildet ein Erlass vom 24. Dezember 2015 (Arrêté portant ouverture d’archives relatives à la Seconde Guerre mondiale), der in Frankreich alle den Zweiten Weltkrieg betreffenden Unterlagen frei zugänglich machte. Bis zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung waren neben komplexen rechtlichen auch archivfachliche sowie technische und konservatorische Aspekte zu klären.
In den kommenden Monaten werden die Unterlagen digitalisiert, mit den Erschließungsdaten des Staatsarchivs Freiburg verknüpft und frei zugänglich onlinegestellt. Als Pilotprojekt für die transnationale virtuelle Rekonstruktion zerrissener Überlieferungen hat das Vorhaben Modellcharakter. Ermöglicht wird es durch eine Förderung der Stiftung Kulturgut des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.