Digitalisierung der Verhandlungsprotokolle der württembergischen Landstände abgeschlossen
Die lange Reihe der Protokollreinschriften der jährlichen Verhandlungen zwischen den württembergischen Landständen und den Herzögen sowie der dazugehörigen Akten, die sog. "Tomi Actorum Provincialium Wirtembergicorum" (heute Bestand L 5 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart), waren jahrhundertelang ein wichtiges Arbeitsinstrument. Sie wurden als so unentbehrlich erachtet, dass man bei Landtagen die ganze Reihe im Saal der Landstände aufstellte, um sie als Nachschlagewerke stets zur Hand zu haben. Sie dienten aber zweifellos auch der Selbstvergewisserung, die den Abgeordneten Stolz und Selbstvertrauen einflößten, spiegelte sich doch in diesen Bänden eine seit dem Jahr 1556 ungebrochene Tradition landständischer Mitbestimmung im Herzogtum Württemberg.
In fast allen anderen Territorien des Heiligen Römischen Reichs hatten die landständischen Vertretungen in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg im Zeichen des sich durchsetzenden Fürstenstaats an Bedeutung verloren und waren als politisches Gegengewicht ausgefallen. In Württemberg hingegen hatten die Landstände in z. T. sehr hart geführten Auseinandersetzungen ihre Stellung gegen die Machtansprüche der Herzöge und ihrer Administrationen bewahren können.
Die Tomi Actorum haben nicht zufällig große Ähnlichkeit mit den gedruckten Protokollen der Verhandlungen des württembergischen Landtags des 19. und 20. Jahrhunderts. In beiden Fällen wurden die Beschlussprotokolle mit den dazugehörigen ein- und ausgehenden Schreiben verbunden. Die Tomi Actorum boten damit den Vorteil, eine "zusammenhängende Erzählung über die Verhandlungen der einzelnen Land- und Ausschusstage" (A. E. Adam) zu gewähren. Die politischen Agenden, die großen Streitthemen, die Möglichkeiten und Grenzen der administrativen Steuerung, die Kommunikationstechnik zwischen den Machtzentren im Herzogtum Württemberg, all dies kann mit Hilfe der Protokolle genau nachvollzogen werden. Die Bedeutung für die historische Forschung kann daher nicht genug betont werden. Zudem umfasst der Bestand auch die Protokollbände aus der Zeit der österreichischen Regierung und diejenigen aus der Regierungszeit Herzog Ulrichs aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Der Aussagekraft der Tomi Actorum entspricht die bisherige Nutzungsfrequenz jedoch in keiner Weise. Der Grund ist sicherlich in ihrer sperrigen, schwer benutzbaren Form zu suchen. Die rein chronologisch nach dem Serienaktenprinzip angelegten Bände können nur schwerlich nach Sachthemen durchsucht werden. Ihre große Anzahl von fast 200 Büchern und ihr z.T. immenser Umfang von bis zu 1800 Seiten stellen zusätzliche Hürden dar. Aus diesem Grund wurde 2021/22 der komplette Bestand mit Fördermitteln der DFG digitalisiert. Rund 290.000 Digitalisate umfasst der Bestand L 5 Tomi Actorum, welche im Online-Findmittelsystem des Landesarchivs Baden-Württemberg nun eingesehen und heruntergeladen werden können.
Eine weitere wichtige Hilfestellung für die Nutzung des Bestandes stellt die im Rahmen des Digitalisierungsprojekts durchgeführte Transkription eines zweibändigen Sachregisters dar. Auch die Landstände hatten es im 18. Jahrhundert angesichts des immer umfangreicher werdenden Materials der Landtagsprotokolle zunehmend schwierig gefunden, sich über bestimmte Sachfragen ein Bild zu machen. Daher wurden die Mitarbeiter der landständischen Registratur beauftragt, Sachindices der einzelnen Bände zu erarbeiten. Der bekannte Landschaftskonsulent Johann Jakob Moser unternahm es schließlich, daraus zwischen 1751 und 1759 ein Gesamtregister zu formen, das die Jahrgänge zwischen 1551 und 1721 nach Sachbegriffen erschloss. Beide transkribierten Bände stehen ebenfalls im Online-Findmittelsystem des Landesarchivs zur Verfügung ( siehe hier und hier).
Die Kombination aus Digitalisierung der Protokollbände und Transkription des Gesamtregisters ermöglicht es den Nutzerinnen und Nutzern, die Beratungen der Landstände zu bestimmten Themen über 170 Jahre hinweg nachzuvollziehen. Für die Jahrgänge zwischen 1722 bis 1759, welche nicht vom Gesamtregister erfasst wurden, können ersatzweise die Bandregister genutzt werden. Es ist daher zu hoffen, dass die Digitalisierungsmaßnahme es der historischen Forschung erleichtern wird, diesen bisher so schwer zugänglichen Schatz des Hauptstaatsarchivs Stuttgart zu heben.