Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker von Grünen und SPD besuchten die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus
Weiterer Ausbau der zivilgesellschaftlichen Einrichtung zugesichert
Parlamentarier sowie Politiker der Grünen und der SPD informierten sich vor Ort über den Aus- und Aufbau der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im Landesarchiv Baden-Württemberg am Standort Generallandesarchiv Karlsruhe.
Der Meinungsaustausch zwischen Politik und Dokumentationsstelle Rechtsextremismus fand nur wenige Stunden vor der größten Anti-Terror-Razzia seit Bestehen der Bundesrepublik statt. Schwerpunkt der bundesweiten Durchsuchungen im Milieu der verfassungsfeindlichen "Reichsbürger" war der Südwesten.
Der Leiter des Generallandesarchivs, Professor Wolfgang Zimmermann, und sein Team gaben Einblicke in ihre Arbeit, die die Vernetzung rechtspopulistischer bis rechtsextremer Personen und Strukturen recherchiert und wissenschaftlich dokumentiert.
Die Einrichtung der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im Generallandesarchiv Karlsruhe durch das Land Baden-Württemberg im Juli 2020 geht zurück auf eine Initiative der Grünen und der anschließenden Beschlussempfehlung des Zweiten Untersuchungsausschusses des baden-württembergischen Landtags zum rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU).
Zugegen bei dem Meinungsaustausch zwischen der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus waren rund 30 Grüne-Abgeordnete aus Bundestag, Landtag und Kommunalpolitik. Die SPD war mit einer mehrköpfigen Delegation ihrer Landtagsfraktion vertreten. An den Gesprächen nahm auch Dr. Clemens Rehm, stellvertretender Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg, teil.
In einer Diskussionsrunde machte das Team der Anlaufstelle für die Erforschung und Dokumentation rechtspopulistischer bis rechtsextremer Zusammenhänge die Parlamentarier und Politiker darauf aufmerksam, dass Zeitschriften, die rechtsextreme und verfassungsfeindliche Inhalte propagieren und in die Köpfe der Menschen transportieren, dennoch im freien Handel käuflich erhältlich sind. Ebenso gebe es rechtsextreme Vereine, die als gemeinnützig bei den Finanzämtern anerkannt sind. Aus Sicht der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus muss hier dringend Abhilfe geschaffen werden. "Eine wehrhafte Demokratie muss ihren Feinden auch die Grenzen ihrer hasserfüllten Intoleranz aufzeigen!", so Wolfgang Zimmermann.
Thematisiert wurde auch die Rolle des Kopp Verlages in Rottenburg am Neckar. Der Verlag verbreitet in großem Umfang Verschwörungsliteratur, die Zuspruch in Kreisen von vermeintlichen Querdenkern, Corona-Leugnern und Impf-Gegnern findet. Dr. Rehm mahnte, der Werdegang vom Verschwörungsgläubigen hin zum Rechtsextremisten sei kein weiter Weg: "Hier erwarten wir ein waches Auge der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus!"
Kern und Ausgangspunkt der Dokumentationsstelle ist das Archiv des Journalisten Anton Maegerle, der seit den 1980er Jahren zum Thema Rechtsextremismus arbeitet. Maegerle schenkte dem Generallandesarchiv ca. 2.500 Aktenordner, eine Vielzahl von Publikationen und Zeitschriften sowie eine umfangreiche digitale Dokumentation. Die Sammlung gilt als größte ihrer Art in Deutschland und wird derzeit von der Dokumentationsstelle erschlossen. Gleichzeitig führt die Dokumentationsstelle die Recherchetätigkeit des Journalisten fort.
Die SPD-Landtagsabgeordneten bedankten sich für die informativen Einblicke in die Arbeit der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus. "Die Dokumentationsstelle dient aufbauend auf die Sammlung Anton Maegerles als historisches Gedächtnis rechtsradikaler Vernetzung. Dadurch können Verbindungen innerhalb der Szene innerhalb kürzester Zeit transparent gemacht werden und zudem der Blick geschärft werden, wie sich Radikalisierung über Jahrzehnte aufbaut und entwickelt. Hierdurch werden Lehren für den Kampf gegen den zunehmenden Rechtsextremismus zu ziehen sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass wieder eine rechtsradikale Terrorgruppe ihre Blutspur durch unser Land zieht", führte der Obmann der SPD im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss, Dr. Boris Weirauch, aus.
Für die Grünen erklärte der Karlsruher Landtagsabgeordnete Alexander
Salomon: "Wir Grüne sind froh und dankbar über die herausragende und hochprofessionelle Arbeit der Akteure hier in Karlsruhe.
Die Dokumentationsstelle hat sich in kurzer Zeit zu einem Ankerpunkt im Netzwerk gegen Rechtsextremismus entwickelt und baut ihre Bedeutung immer weiter aus. Im Frühjahr 2023 gehen wir mit dem Start der noch aufzubauenden universitären Forschungsstelle Rechtsextremismus, die eng mit der Dokumentationsstelle kooperieren wird, den nächsten Schritt. In dieser Kombination schaffen wir den Auf- und Ausbau bundesweit einmaliger wissenschaftlicher Expertise im Themenfeld."
Fraktionsübergreifend sicherten die baden-württembergischen Parlamentarier und Politiker von Grünen und SPD den weiteren Ausbau der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus in Generallandesarchiv Karlsruhe zu.