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1/D. Die Kompromißformel - das Hirsauer Formular
Als brauchbare Kompromißformel bot sich für viele Klöster im südwestdeutschen Raum eine Urkunde an, die Heinrichs IV. 1075 für das Kloster Hirsau hatte ausfertigen lassen, das sogenannte Hirsauer Formular, das erstmals die Forderung der monastischen Reformer nach klösterlicher Freiheit (libertas) aufgriff, in dem es das Kloster aus der unmittelbaren Eigenkirchenherrschaft löste, es unter päpstlichen Schutz stellte und dem Konvent das Recht der freien Vogt- und Abtwahl zubilligte.
Kloster Hirsau war unter der Persönlichkeit des Abtes Wilhelm seit 1069 zum südwestdeutschen Zentrum der von den Klöstern Gorze und Cluny ausgehenden, europaweit zu beobachtenden monastischen Erneuerungsbewegung geworden.
Anfänglich war das kaiserliche Privileg - das Hirsauer Formular - den monastischen Reformern noch nicht ausreichend genug gewesen, da es trotz Garantie der freien Vogtwahl die erbliche Vogtei der Stifterdynastie zusicherte. Jetzt aber, an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, zielte das Hirsauer Formular genau auf den gewünschten Ausgleich, kam es doch einerseits dem Streben nach klösterlicher Freiheit entgegen und ermöglichte es andererseits auch den adligen Stiftern durch die Zusicherung ihrer Rechte in bezug auf Mitwirkung bei der Abt- und Vogtbesetzung nach wie vor, ihre Hausklöster nicht völlig aus der Hand der eigenen Familie zu geben.
So wurde das Hirsauer Formular maßgebend für eine zu diesem Zeitpunkt einsetzende Welle von Klosterstiftungen wie Alpirsbach, Blaubeuren, Neresheim, Ochsenhausen, Odenheim, Reichenbach, Sankt Georgen, Sankt Peter, Schaffhausen, Wiblingen, Zwiefalten - und nicht zuletzt auch Gottesaue, wo es nahezu wortgetreu übernommen wurde.