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2. Die Bedeutung der Stiftungsurkunde

2/A. Die rechtliche Bedeutung der Urkunde

In einer Urkunde vom 16. August 1110 bestätigt König Heinrich V. in Speyer die Stiftung des Klosters Gottesaue durch den Grafen Berthold, seine Gemahlin Liutgard und ihre Kinder Berthold, Liutgard und Mathild. Dem Kloster unter seinem Abt Wolpoto werden das Recht der freien Abt- und Vogtwahl sowie seine Besitzungen innerhalb bestimmter Grenzen und an bestimmten Orten garantiert.
    Die Klostervogtei war als erbliches Recht der Stifterfamilie vorbehalten. Aber nur auf Antrag des Abtes konnte der jeweilige Vogt vom König eingesetzt werden. Des weiteren durfte der Vogt ohne Erlaubnis des Abtes keine Klosterbesitzungen betreten und keine Untervögte einsetzen. Bei schweren Übergriffen konnte der Abt mit Zustimmung des Konvents den Vogt absetzen und an seiner Stelle einen anderen ernennen.
    Die Rechtsstellung des Klosters sollte durch dieses Kaiserdiplom auch über den Tod des Stifters hinaus für alle Zukunft gesichert werden.
    Den Abschluß der Urkunde bildet - wie für mittelalterliche Urkunden üblich - die Poenformel mit ihren schrecklichen Strafandrohungen im Jenseits. Möglichen Gegnern des Klosters wurde ewige Höllenpein in Aussicht gestellt. Daran anschließend folgt die formelhaft eingeleitete Aufzählung der Güter, die dem Kloster eine wirtschaftlich nicht unbeträchtliche Grundherrschaft sicherte.
    Da die Urkunde sich nahezu wortgetreu an das sogenannte Hirsauer Formular hält und zudem erst nach dem Tod des Klosterstifters ausgestellt wurde, wird sie auf Betreiben des Abtes Wolpoto entstanden sein. Wolpoto, der vermutlich als Nachfolger Abt Gebhards der zweite Abt des Klosters war, stammte nämlich aus dem Hirsauer Konvent, von wo er nach Gottesaue gesandt wurde und dort dem Hirsauer Reformgedanken zur Geltung verholfen haben dürfte.
 
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