Rechtsextremismus: Gefahr droht von "Mischszene"
Generalbundesanwalt, Bundes- und Landespolitiker bei Podiumsdiskussion im Generallandesarchiv Karlsruhe
Die rechtsextreme Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland hat sich in den letzten Jahren verändert. Klischeehaft auftretende Neonazis und Skinheads sind out, eine gewaltbereite "Mischszene" von Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremisten, sogenannten "Reichsbürgern", Corona-Leugnern und Querdenkern bestimmt das Geschehen.
Gefahr droht von "Reichsbürgern", die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen und mit "militärischen Mitteln" den "Umsturz der Regierung" erzwingen wollen, sagte Peter Frank, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (BGH). Deutschlands oberster Ankläger war der prominenteste Teilnehmer eines Podiumsgesprächs, das Ende Juli den Abschluss der Vortragsreihe "Terror von Rechts. Gestern und Heute" der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus (DokRex) im Generallandesarchiv Karlsruhe bildete. Auf mehreren Veranstaltungen der DokRex hatten zuvor Referenten und Referentinnen aus den Bereichen Journalismus und Wissenschaft aufgezeigt, dass rechtsextremer Terror eine viel längere Geschichte hat, als in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Schon in der Weimarer Republik hat der Rechtsterrorismus prominente Opfer wie die Politiker Walther Rathenau und Matthias Erzberger hervorgebracht. Der folgenreichste Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik wurde 1980 durch einen baden-württembergischen Neonazi verübt. 13 Menschen verloren beim Anschlag auf das Oktoberfest auf der Münchner Theresienwiese ihr Leben.
Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg, erinnerte zu Beginn des Podiumsgesprächs daran, dass die rechtsextreme Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese eine Polizistin ermordete und deren Kollegen schwer verletzte.
Einig war sich die Runde darin, dass der Bundesrepublik Deutschland aktuell vom Rechtsextremismus die größte Gefahr droht, gegen die aktiv und präventiv vorgegangen werden muss. So wurde auf Anordnung der Generalbundesanwaltschaft im Dezember 2022 eine bundesweite Razzia gegen ein Netzwerk von "Reichsbürgern" durchgeführt. Tausende Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz. Das Verfahren gegen die "Reichsbürger" der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppe Reuß mit mehr als 60 Beschuldigten bindet in der Bundesanwaltschaft erhebliche Kräfte, so Frank.
Neben Frank waren aus dem Landtag gekommen: Oliver Hildenbrand MdL (Grüne), Arnulf Freiherr von Eyb MdL (CDU), Dr. Boris Weirauch MdL (SPD) und Nico Weinmann MdL (FDP), Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums von Baden-Württemberg. Aus Berlin war Benjamin Strasser MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, angereist. Der Ravensburger FDP-Politiker informierte, dass die Ampelkoalition eine Untersuchung zu extremistischen Einstellungen in Sicherheitsbehörden auf den Weg gegeben hat. Strasser betonte, dass er für seine Partei eine Zusammenarbeit mit der AfD auf allen politischen Ebene ablehne. Weitgehende Einigkeit herrschte bei den Politikern auf dem Podium, was die Rolle der AfD anbelangt. Die von den Podiumsteilnehmern in weiten Teilen als rechtsextrem charakterisierte Partei, trage maßgeblich mit ihren Hassparolen zur Verrohung des gesellschaftlichen Klimas und somit zu steigender rechtsextremer Kriminalität bei. "Aus Worten folgen immer Taten", mahnte Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann, Leiter des Generallandesarchivs.
Zimmermann erinnerte daran, dass Städte wie Hoyerswerda, Hünxe, Mölln, Rostock, Solingen, Halle, Kassel und Hanau als Synonyme für rechtsextremen Terror und Gewalt stehen. Moderiert wurde die Veranstaltung der DokRex von der investigativen Journalistin Caroline Walter. Sie gab der Podiumsrunde und den Zuhörerinnen und Zuhörern auf den Weg, dass Politik konsequent gegen Demokratiefeinde handeln müsse. Auch sei die Zivilgesellschaft gefragt, klar Haltung zu beziehen und Äußerungen und Handlungen gegen unsere gemeinsamen Werte nicht unwidersprochen zu lassen.