Freiburg in den 60er-Jahren - Festgehalten in Fotografien von Willy Pragher
Wer sich von Freiburg ein Bild machen will, stößt im Internet vor allem auf das Münster, die malerische Altstadt mit ihren Bächle sowie Schlossberg und Schauinsland. Einen viel weiteren Blick auf die Stadt bieten die Fotos von Willy Pragher (1908 bis 1992), dem Freiburg 1949 zur neuen Heimat geworden war. Über Jahrzehnte hat der gebürtige Berliner die Entwicklung der größten Stadt Südbadens mit der Kamera dokumentiert. 1993 konnte das Staatsarchiv Freiburg mit Unterstützung des Landes seinen fotografischen Nachlass mit knapp 300.000 Bildern für die Nachwelt übernehmen. Inzwischen sind alle Bilder digitalisiert und bereits mehr als 150.000 Fotos online verfügbar. Und ein kleiner, feiner Teil auch in Buchform.
In dem neuen Bildband „Freiburg in den 60er-Jahren - Festgehalten in Fotografien von Willy Pragher“ des Staatsarchivs Freiburg stellt ein Autorenteam unter Leitung von Anja Schellinger und Christof Strauß Fotos aus dem Jahrzehnt vor, das als Zeit der Auf- und Umbrüche gilt. Rund 170 Abbildungen zeigen viele Aspekte des gesellschaftlichen, politischen und alltäglichen Lebens. Die Verwüstungen durch den Zweiten Weltkrieg sind weitgehend verschwunden, große Teile der zerstörten Innenstadt wiederaufgebaut. Andere Häuserreihen mit historischer Bausubstanz werden eingeebnet, weil die Stadt autogerecht werden soll. Neue Stadtteile samt Kirchen und Freizeiteinrichtungen entstehen.
Pragher ist mit seiner Kamera dort, wo etwas passiert, dort, wo die Menschen sind. Er fotografiert sie in Läden und Büros, in Werkhallen und auf Baustellen, auf dem Markt, im Weinberg und auf der Bühne. Und auch in ihrer Freizeit – in den neuen Selbstbedienungsläden und -restaurants, bei Sport und Musik, mit ihren Briefmarken oder bei der Erziehung ihrer Pudel.
In Praghers Fotos spiegeln sich zugleich die politischen Auseinandersetzungen im Land und in der Bundesrepublik sowie die großen weltpolitischen Ereignisse wieder: In der traditionsreichen Universitätsstadt gehen Schülerinnen, Studierende und Bürger auf die Straße. Sie protestieren für bessere Schulen und Hochschulen und gegen die Notstandsgesetze, zeigen ihre Trauer nach der Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy, demonstrieren gegen den Vietnam-Krieg und diskutieren - etwa Studentenführer Rudi Dutschke mit dem Liberalen Ralf Dahrendorf. Pragher dokumentiert auch Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie – etwa die ersten Direktübertragungen aus Übersee, zu denen das Amerikahaus 1962 einlädt, oder die Vorstellung neuer Schwangerschaftstests bei einem Labor-Kongress, die Verfahren wie den so genannten Froschtest ablösen.
Praghers Bilder sind ein Schatz für alle, die Freiburg kennen oder entdecken möchten, seine Geschichte und die Nachkriegszeit erforschen oder auch einfach in Erinnerungen schwelgen wollen. Der Bildband „Freiburg in den 60er-Jahren - Festgehalten in Fotografien von Willy Pragher" ist wie der Band "Freiburg in den 50er-Jahren" im Silberburg-Verlag Tübingen erschienen und im Buchhandel erhältlich. Er hat 160 Seiten und kostet 36,99 Euro.