Start des Podcasts "Sprechende Akten. NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung"
Das Landesarchiv Baden-Württemberg widmet sich in einer fünfteiligen Podcast-Reihe Schicksalen von NS-Verfolgten, die in Archivakten dokumentiert sind. Für das Archiv ist der Podcast ein neues, niedrigschwelliges Format der Geschichtsvermittlung. Die erste Folge ist am Montag, 17. Oktober 2022, erschienen. Gefördert wird der Podcast vom Bundesministerium der Finanzen. Die Umsetzung hat die Voice-Agentur "We Are Producers" aus Berlin übernommen.
"Sprechende Akten. NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung" zeichnet exemplarisch die Biografien von sechs Menschen nach, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Sie beschritten nach Kriegsende den mühevollen Weg, Entschädigung für ihr erlittenes Leid beim deutschen Staat zu beantragen. Ihre Schicksale sind in über 120.000 sogenannten "Wiedergutmachungsakten" im Landesarchiv dokumentiert.
Ein junger Kommunist, der um seine gestohlene Jugend trauert; eine Sintiza, die ihre kleine Tochter im KZ verlor; zwei aufstrebende Künstler, von denen nur einer den Terror überlebt; eine betagte Jüdin, die hartnäckig um Anerkennung kämpft und ein sozialdemokratischer Familienvater, bei dessen Verhaftung der Nachbar eine maßgebliche Rolle spielt. Was alle fünf Verfolgungsopfer und ihre Nachkommen eint: Sie bemühten sich mit aller Kraft um Entschädigung. Ihre Schicksale sind paradigmatisch für viele andere Tausende von Fällen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die noch junge Bundesrepublik den Opfern der NS-Verfolgung sogenannte "Wiedergutmachungszahlungen". Doch nicht nur der Begriff war problematisch. Auch der Prozess, eine solche Zahlung zu erhalten, war häufig äußerst schwierig. Die Sachbearbeiter, die über die Zahlungen entschieden, urteilten sehr unterschiedlich – teilweise mit äußerster Härte, manchmal voller Verständnis. Aber stets nach geltender Gesetzeslage.
Mit dem Podcast macht das Landesarchiv Baden-Württemberg diesen Teil deutscher Geschichte wieder sichtbar. Dafür hat das Archiv mehrere Entschädigungsakten aus seinen Beständen ausgewählt. Sie zeigen nicht nur, welche Geschichten sich hinter den bürokratischen Verfahren verbergen, sondern auch, wie chaotisch die Regelungen teilweise waren. Und wie ein Land versucht hat, das Grauen aufzuarbeiten, das es gerade erst begangen hatte.
Themenwochen zur "Wiedergutmachung": Pop-Up-Ausstellung und Veranstaltungen
Zum Start der Podcast-Reihe veranstaltet das Staatsarchiv Ludwigsburg vom 17. Oktober bis zum 25. November 2022 Themenwochen zum Komplex der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. Mehrere Veranstaltungen – darunter Werkstattgespräche, Lesungen und ein einführendes Webinar – eröffnen einen Einblick in die verschiedenen, auch nichtakademischen Nutzungsmöglichkeiten der Wiedergutmachungsakten. Begleitet werden die Themenwochen von einer Pop-Up-Ausstellung auf dem Ludwigsburger Arsenalplatz. Mit dem Angebot bietet das Staatsarchiv Ludwigsburg einen niedrigschwelligen Zugang zu der in der bundesdeutschen Geschichte bisher weitgehend unbekannten Entschädigungspraxis und regt auch zu eigenen familiengeschichtlichen Forschungen an.
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
Der Podcast ist Teil eines groß angelegten Vorhabens des Bundesfinanzministeriums, die Geschichte der Wiedergutmachung in Deutschland als wesentlichen Aspekt der deutschen Nachkriegs- und Demokratiegeschichte sichtbar, erforschbar und begreifbar zu machen. Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts war eine Mammutaufgabe für die noch junge deutsche Bundesrepublik und ist ein bis heute beispielloser Versuch, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im In- und Ausland zu entschädigen.
Im Landesarchiv Baden-Württemberg befinden sich insgesamt rund 120.000 Einzelfallakten zu Entschädigungsverfahren der Nachkriegszeit. Das in über sieben Jahrzehnten entstandene Dokumentenerbe ist eine der wichtigsten Quellen für die Erforschung von Schicksalen der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Anhand von Verfolgungsberichten, Zeugenaussagen und anderem Beweismaterial werden die individuellen Schicksale, über die es sonst keine Dokumentation mehr gibt, greifbar.