"Freiheit – Wahrheit – Evangelium" – Reformation in Württemberg
Mehrseitiger Artikel
IV. Herzog Ulrich, Bauernkrieg und Reformation
Herzog Ulrich von Württemberg war 1519 vom Schwäbischen Bund aus Land und Herrschaft vertrieben worden. Seither regierte das habsburgische Kaiserhaus das Land, ab 1522 Erzherzog Ferdinand, der Bruder des Kaisers. Man stützte sich dabei auf die altgläubigen Eliten, die "Ehrbarkeit" in den Städten und die Geistlichkeit und Prälaten der großen Klöster.
Doch die neuen Ideen und Glaubenssätze von Freiheit und Wahrheit, die mit den Lehren Martin Luthers vor allem über die benachbarten Reichsstädte auch in Württemberg verbreitet wurden, fanden besonders beim einfachen Volk viele Anhänger. Weit über Württemberg hinaus schlossen sich im Frühjahr 1525 Bauernhaufen zusammen, um gegen die Obrigkeit und die Geistlichkeit vorzugehen. Mit ihrem Programm der „12 Artikel“ forderten die Aufständischen in Schwaben ihr "göttliches Recht" auf Freiheit von obrigkeitlichen Lasten und evangelische Wahrheit ein. Martin Luther freilich lehnte seine Unterstützung des gewaltsamen Aufruhrs ab und nahm in berühmten Schriften gerade auch gegen die schwäbischen Bauern deutlich Stellung.
Herzog Ulrich, der den Bauernaufstand zur Rückeroberung seiner Herrschaft nutzen wollte, scheiterte gemeinsam mit den Aufständischen, die in mehreren Schlachten von den Truppen des Schwäbischen Bundes geschlagen wurden. Zahllose Beteiligte mussten der österreichischen Herrschaft nun Urfehde schwören und sich von der "lutherischen Sekte" distanzieren.
Erst als es Ulrich 1534 gelang, mit Unterstützung Landgraf Philipps von Hessen den Schwäbischen Bund zu besiegen, konnte er nach Württemberg zurückkehren und die Herrschaft wieder übernehmen. Ulrich brachte Luthers Lehre mit sich; die Einführung der Reformation in Württemberg war sein deklariertes Programm.
Herzog Ulrich hatte seine selbstherrliche und aggressive Politik auch gegenüber benachbarten Herrschaften und Reichsstädten fortgeführt und geriet damit immer stärker in die politische Isolation. Auf seinen Angriff gegen die Reichsstadt Reutlingen 1519 hin rüstete der Schwäbische Bund, dessen Mitglied Reutlingen war, zum Krieg gegen Württemberg, besetzte das Herzogtum und zwang Ulrich zur Flucht. Die Herrschaft in Württemberg sollte nun an das Haus Habsburg übergehen, die Übergabe an den neuen Kaiser Karl V. wurde im Februar 1520 offiziell vollzogen.
Zur Entstehungszeit des Holzschnitts, den der Nürnberger Künstler Erhard Schön (um 1491–1542), vielleicht gemeinsam mit dem Stecher Sebald Beham, von Herzog Ulrich fertigte, war dieser bereits aus Württemberg vertrieben worden. Der Holzschnitt geht auf ein Münzbildnis des Herzogs von 1518⁄19 zurück. Er zeigt in seinem ursprünglichen Zustand über dem Kopf Ulrichs das württembergische Wappen, das in einem späteren Zustand bereits getilgt wurde – offenbar als Reaktion auf die Vertreibung des Herzogs und den Übergang seiner Herrschaft an das Haus Habsburg. Der Titel des Bildes, der Ulrich als Hertzog zu Wirtenberg benennt, konnte damals nur mehr als sein Anspruch auf Land und Herrschaft verstanden werden.
Der Schwäbische Bund weist mit diesem Ausschreiben alle Einwohner Württembergs darauf hin, dass Herzog Ulrich in die kaiserliche Acht gekommen sei und sie aller Untertanenpflichten ledig seien, weil der Herzog mehrfach Verträge nicht eingehalten habe und wortbrüchig geworden sei. Unter Anführung seines Überfalls auf Reutlingen wird er öffentlich als Landfriedensbrecher angeklagt und dem Strafvollzug des Bundes anheimgestellt.
Die wehrfähigen Männer werden nun aufgefordert, sich zum Schutz ihres Vaterlandes in das Feldlager des Bundes, zum obersten Feldhauptmann Herzog Wilhelm von Bayern, zu begeben: Ewr vatterlannd, Euch selbs, Ewre weyb unnd kind bedencken unnd dermassen in den hanndel schicken und erzaygen, damit Ir in fridlichem wesen und wir vor dem mercklichen Costen, Krieg und verderblicher hanndlung zue bayden taylen enntladen beleyben […].
Das Aufsehen, das die Vertreibung Herzog Ulrichs aus Württemberg erregte, fand seine Entsprechung in zahlreichen Liedern und Gedichten, die Stellung für oder gegen ihn bezogen. Das Reimpaargedicht eines unbekannten Autors steht repräsentativ für die Partei der Anhänger Ulrichs; jedenfalls nahm die Öffentlichkeit auch weit über Württemberg hinaus großen Anteil an seinem dramatischen Schicksal. Der nachfolgende Beginn des Trostspruchs für Herzog Ulrich vermittelt das aus seiner Sicht unerhörte Vorgehen gegen den Landesfürsten:
O gwaltiger gott von hymelreych
Schöpfer hymels und erdtreich
Durch dein ainigen son Jesum Christ
Verzeich unns hie zu diser frist
Unnser schuld, dess pitt wir dich
Dieweil wir so gar unchristenlich
Gegen ainannder in teutschem lannd
Leben mit krieg, raub und prannd
Auch vil unfreuntlich sachen treyben
Das ichs halb nit kann sagen oder schreiben.
Ir wist selbs auf dieser erdt
Wie ir den fürsten eeren werdt
Hertzog Ulrichen von Wirtenberg
Mit gwallt on recht uber tal und berg
Kürtzlich vertriben, verjagt hond
Mit leyb unnd gut aus seinem lannd
Das doch nit vil mer erhört
Das man ain fürsten gar zerstört
Der in hohen eeren ist gesessen
Im wirt auch schenntlich zugemessen
Lasterlich ding zu diser frist
Das doch nach gar erlogen ist […].
Luther warnt die Fürsten und Herren vor Missbrauch ihrer Herrschaft und Überbelastung der Untertanen. Gleichzeitig aber wendet er sich gegen die in den "Zwölf Artikeln" formulierte Instrumentalisierung des Evangeliums als Grundlage einer neuen Gesellschaftsordnung und weist die Forderung der Bauern nach Abschaffung der Leibeigenschaft zurück, "denn ein leibeigener kann gut Christ sein und die christliche freiheit haben so wie ein gefangener oder kranker Christ, der auch nicht frei ist."
Während das Tragen von Schwertern und Dolchen dem Adel vorbehalten war, verwendete das einfache Volk im 15. und 16. Jahrhundert ein langes Hiebmesser mit einschneidiger Klinge, die sogenannte Bauern– oder Hauswehr.
Die hier präsentierte Waffe besitzt eine waagrechte Parierstange, die mit einer Niete fixiert wurde. Die zwei Griffschalen aus Holz, Horn oder Bein sind heute verloren; die Spitze der Klinge ist abgebrochen.
Der deutsche Südwesten zählte neben dem Elsass, Franken, Thüringen, Sachsen und Tirol zu den Zentren des Deutschen Bauernkriegs (1524–1526). Zu Beginn des Jahres 1525 sammelten sich bei Leipheim (Landkreis Günzburg) östlich von Ulm etwa 5.000 Bauern um den Prediger Jakob Wehe und plünderten das Umland. Der Schwäbische Bund schickte diesem "Bauernhaufen" ein Heer entgegen, das unter der Führung von Georg Truchsess von Waldburg–Zeil stand, der ein Jahrzehnt zuvor im Auftrag Herzog Ulrichs von Württemberg bereits die Erhebung des "Armen Konrad" niedergeschlagen hatte. Wegen seines kompromisslosen Vorgehens gegen die Aufständischen erhielt er den Namen "Bauernjörg".
Bei Leipheim kam es am 4. April 1525 zur Schlacht zwischen dem Schwäbischen Bund und den Bauern. Die Truppen des Bundes waren zahlenmäßig deutlich überlegen: Etwa 8.000 Soldaten, darunter fast 2.000 zu Pferd, trafen auf rund 5.000 Bauern. Die Schlacht endete mit einer verheerenden Niederlage für die Bauern.
Während dieser Wirren wurde in Unterkochen (Ostalbkreis), das nur rund 40 km nördlich von Leipheim liegt, ein Münzschatz verborgen. Gut vier Jahrhunderte später, im Jahr 1929, wurde dieser Schatz am Abhang des Kirchbergs wiederentdeckt. Er umfasste 432 Münzen, von denen 366 ins Stuttgarter Münzkabinett gelangten. Es kann nur spekuliert werden, wer den Schatz versteckte und warum er nicht mehr geborgen werden konnte.
Die Zusammensetzung des Fundes von Unterkochen gibt Aufschluss über den Münzumlauf im deutschen Süden und Südwesten während des frühen 16. Jahrhunderts. Nur gut ein Drittel der Münzen stammt aus Schwaben oder Bayern. Dies belegt, dass die heimische Münzprägung während des Spätmittelalters nicht in der Lage war, den Bedarf für den Handelsverkehr zu decken. Charakteristisch für Funde in Südwestdeutschland ist daher ein hoher Anteil auswärtiger Münzen, vor allem aus Oberitalien und Böhmen.
Im Frühjahr 1525 wurde der Bauernaufstand im deutschen Südwesten durch die Truppen des Schwäbischen Bundes unter Führung von Truchsess Georg III. von Waldburg in rascher Folge niedergeschlagen. Im Juni 1525 erließ der Bund ein Mandat an alle Territorien und Herrschaften, um die Aufwiegler des Aufstandes zur Rechenschaft zu ziehen. In vielen Ämtern und Herrschaften wurden daraufhin Fahndungen angestellt, Namenslisten erstellt und Verhaftungen vorgenommen. Die meisten der Verhafteten erhielten nur geringe Strafen, viele kamen nach kurzer Haft wieder frei und mussten Urfehde schwören.
So schwört auch Barbara Silber aus Dettingen Schloßberg (bei Kirchheim unter Teck gelegen) nach ihrer Haftentlassung im August 1525 Urfehde. Sie hatte im Bauernaufstand mit unnützen Reden (vilfalltiger unnutzer böser reden) gegen die Obrigkeit Partei ergriffen. Gleichzeitig war sie eine Anhängerin der lutherischen Lehre und hatte die reformatorischen Ideen weiter verbreitet (unnd annder uff sollich verkört weys zupringen unnderstanden hab). Sie verpflichtet sich, Stadt und Amt Kirchheim unverzüglich zu verlassen und sich auch vom neuen Glauben abzuwenden (der lauterischen verfurischen kätzerey unnd derselbigen leer nit mer zu geprauchen).
Diese Urfehde ist damit ein frühes Beispiel, wie die Obrigkeit in ihrer Strafverfolgung Vergehen im Bauernaufstand mit dem Vorwurf reformatorischer Bestrebungen kombinierte und entsprechend ahndete.
Edition:
Ich Barbara, Hannsen Silbers von Töttingen Schlossberg eeliche hausfrow, bekenn offentlich unnd thun kunth allermenigklichem mit dem brieff, alls ich inn verganngner peurischer uffrur unnd embörung mich verkörts gemuts unnd willenns vilfalltiger unnutzer böser reden so dann f[ürstlicher] d[urchlauch]t , meinem gnedigsten herrn nachgenndt aller eer unnd erberkaytt zuwider gewest, hören unnd vernemen lassen. Unnd unversettigt derselbigen mich lauterischer weys inn dem so freyem aygnem willen zugedienndt unnd aller leychtfertigkaytt angehanngen, auch alen cristennlichen zierden wider gewesen, vilvalltig gepraucht unnd annder uff sollich verkört weys zu pringen unnderstanden hab. Umb sollich mein bos unthat unnd misshanndlung ich uff anruffen unnd begern der stenndt des bundts inn Swaben in hochgenannts, meins gnedigsten herrn fenngkhnus gen Kurchain unnder Deckh komen. Unnd wiewoll ich desshalb an leyb unnd leben zu strouffen gewesen, noch dann uff mörgklich grous furpith so meinthalb beschehen, bin ich derselbigen gnedigklich erledigt unnd erlassen worden. Doch hab ich dargegen zu dannckparlicher erkanntnus ertzellter bewißner gnaden ainen gelerten aydt leyplich zu Gott unnd den hailligen gesworn, mich von stundt zu erheben unnd den nechsten ausser diser statt Kurchain unnd demselbigen ampt zu ziehen und mein leben lanng darein nit mer zu komen, dann mit sonnderm wissen, zugeben oder erlauben obgemellts meins gnedigsten herrn […] Dergleych mich furtherhin der lauterischen verfurischen kätzerey unnd derselbigen leer nit mer zu geprauchen, sonnder meinen geordneten gaistlichen unnd welltlichen oberkaytten yederzeytt gehorsam unnd gevelligung zu sein […]
Wa ich aber dis mein verschreybung inn ainem oder mer stucken, puncten unnd artickeln prechen unnd nit hallten wurde, das doch nit sein noch, ob Gott wöll, beschehen, allsdann so soll ich on all mittel oder rechtsprechen leyb unnd leben verwurckt haben. […] Mönntag nach Sannt Bartholomen, dess hailigen Zwölffbotten tag nach Cristi gepurt, getzellt funfftzehenhundert zwaintzig unnd funff jaure […].
Nachdem die militärische Rückeroberung Württembergs gelungen war, hielt Herzog Ulrich bereits zwei Tage später Einzug in Stuttgart. Bis zum 2. Juni waren auch die Festungen Tübingen, Hohenurach, Hohenneuffen und Hohenasperg zurückerobert. Die politische Absicherung der Herrschaft Ulrichs gestaltete sich allerdings problematischer: Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen führte nun im Namen des Herzogs mit König Ferdinand die Verhandlungen und einigte sich mit diesem im Vertrag von Kaaden auf die Rückgabe Württembergs an Ulrich gegen die Anerkennung der Wahl Ferdinands zum deutschen König. Allerdings sollte Ulrich das Herzogtum nur als Afterlehen des Hauses Österreich empfangen, jedoch ohne dass seine Stellung als Reichsfürst geschmälert wurde.
Die Religionsfrage hingegen wurde weitgehend offengelassen, so dass Ulrich hierbei frei walten konnte. Damit bedeutete dieser Vertrag für Württemberg faktisch das Ende der habsburgischen Herrschaft und die Einführung der Reformation. Er trägt die eigenhändigen Unterschriften von König Ferdinand, Kardinal Albrecht von Mainz, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Herzog Georg von Sachsen und ist mit deren Siegeln beglaubigt.
Herzog Ulrich von Württemberg war ebenso als streitbarer Fürst wie als kraftvoller Kämpfer bekannt. Seine prächtigen Rüstungen stehen für sein repräsentatives Auftreten als militärischer Führer wie im Turnier oder bei höfischen Festen. Neben einem kostbaren Reiterharnisch Ulrichs, der gemeinsam mit einem Rossharnisch für sein Pferd aus seinen ersten Regierungsjahren erhalten geblieben ist (heute Philadelphia Museum of Fine Art), und seinem Schembarthelm (vgl. I.7), der ebenfalls noch aus seiner ersten Regierungszeit (vor 1519) stammen dürfte, beeindruckt dieser Riefelküriss durch seine Proportionen und aufwändige Ausführung.
Die Rüstung wurde wie der Schembarthelm Ulrichs von Meister Wilhelm von Worms d. Ä. († 1537) in Nürnberg gefertigt; sie war ebenso für den Kampf im Feld wie für den Einsatz im Turnier geeignet und gehört offenbar in die Jahre von Ulrichs Vertreibung aus Württemberg. Damals hatte Ulrich vor allem im Kontext des Bauernkriegs versucht, Land und Herrschaft gewaltsam zurückzuerlangen, was ihm schließlich 1534 mit dem Sieg in der Schlacht von Lauffen gelang. Allerdings weist die glänzende Erhaltung des Küriss darauf hin, dass er vielleicht nie in der Schlacht oder im Turnier getragen wurde.
Gemeinsam mit einer weiteren Rüstung sandte Herzog Ludwig von Württemberg den Riefelküriss im Jahr 1582 an Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, der sich gerade eine große Sammlung von Rüstungen berühmter Leute anlegte. So gelangte der Küriss schließlich in die österreichische Rüstkammer nach Wien, wo er heute im Kunsthistorischen Museum verwahrt wird.