VII. Die Reformation im Kloster Maulbronn
Vorlage: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Das Zisterzienserkloster Maulbronn war bereits am Vorabend der Reformation ins Blickfeld des württembergischen Landesherrn gerückt. Die von Herzog Ulrich 1504 mit militärischer Macht von der Kurpfalz eroberte Schirmherrschaft brachte die Abtei endgültig in seinen Einflussbereich. Seinen Herrschaftsanspruch ließ er gleich an mehreren Stellen im Kloster ins Bild setzen.
Erste reformatorische Ideen fanden schon bald ihren Weg ins Kloster: Bereits 1522 trat der erste Konventuale, Valentin Vannius, aus dem Kloster aus – er sollte nach Einführung der Reformation in anderer Funktion wieder in Maulbronn tätig werden.
Aufgrund der Erhebung massiver Kriegssteuern nach der Rückkehr von Herzog Ulrich 1534 suchte Abt Johann von Lienzingen im Klosterhof in Speyer mit der Barschaft, den Kleinodien, den Verwaltungsakten und den Siegeln des Klosters Zuflucht und verzögerte so die geplante Inventur des Klostervermögens. Während der Abt vor dem Reichskammergericht eine Klage gegen Herzog Ulrich anstrengte, geriet sein Konvent zwischen die Fronten: Der Landesherr forderte den Gehorsam der Mönche, ihr Abt ermahnte sie aus der Ferne zum Widerstand.
Abt und Konvent waren schließlich 1536 gezwungen, unter dem Schutz König Ferdinands Maulbronn zu verlassen. Sie siedelten in ihr Priorat Pairis im Elsass über. Erst nach Veränderung der politischen Verhältnisse war unter dem neuen Abt Heinrich Reuter 1548 die Rückkehr ins Heimatkloster möglich.
Mit dem Tod Herzog Ulrichs 1550 und der Regierungsübernahme durch seinen Sohn Christoph begann dann eine zweite Phase der Reformation, die auch für Maulbronn entscheidende Veränderungen mit sich brachte. Dort entstand eine der höheren Klosterschulen, die auf ein Studium der Theologie vorbereiten sollten. Valentin Vannius kehrte nun als erster evangelischer Abt und Leiter der neuen Klosterschule in sein einstiges Kloster zurück.
Anders als an vielen anderen ehemaligen Klosterschulorten Württembergs hat sich das evangelische Seminar Maulbronn als traditionsreiche Lehrinstitution bis heute erhalten.
VII.1 Herzog Ulrich bestimmt über die Abtswahl in Maulbronn
1504 September 13, Stuttgart
Abschrift, Papier, 1 Blatt, Folio
HStAS A 502 Bü 32-2
(Ausgestellt: Reproduktion)Zur Vergrößerung bitte hier klickenNach Eroberung der Schirmvogtei über Maulbronn im Jahr 1504 nahm Herzog Ulrich auf die anstehende Abtswahl massiven Einfluss. In diesem Schreiben forderte er den Abt von Bebenhausen auf, zur anstehenden Wahl keinen Vertreter zu schicken. Er drohte, das Kloster Maulbronn ansonsten ganz Zerstören, und ain stainhauffen darauß […] machen zu wollen. Stattdessen sollte der Konvent in Maulbronn mit dem von ihm angewiesenen Visitator verhandeln und weiteren Bescheid von ihm abwarten. Gewählt wurde der aus Vaihingen an der Enz stammende Michael Scholl, der das Amt bis 1512 innehatte
VII.3 Zwei Ziborien in der Klosterkirche
[Um 1500], Maulbronn
Roter und gelber Sandstein
Kloster Maulbronn, KlosterkircheAls Ziborium bezeichnet man einen auf Säulen ruhenden steinernen oder hölzernen Baldachin über einem besonderen Ort oder Gegenstand. Dabei kann es sich um einen Altar, ein Märtyrergrab, ein Taufbecken, ein Kultbild, eine Heiligenstatue oder profanerweise auch um einen Thron handeln. Die Bedachung sorgt für eine besondere Auszeichnung, monumentale Erhöhung des beschirmten Ortes oder Gegenstandes und ist daher meistens aufwändig in ihrer Architektur oder den verwendeten Materialien gestaltet.
Die beiden Maulbronner Ziborien (Altarbaldachine) befinden sich im jeweils dritten Joch der Laienkirche, am Übergang des Mittelschiffs zu den Seitenschiffen, und sind nahezu identisch aufgebaut. Zu datieren sind sie in die Zeit um 1500. Die Baldachine ruhen jeweils auf zwei schmalen, gedrehten Säulen im Westen und auf einer Altarrückwand im Osten. Die Rückwand umschließt den romanischen Mittelschiffpfeiler.
Interessant ist die spätere Umnutzung der beiden Ziborien zu Kanzeln. Am nördlichen Ziborium verweisen Abarbeitungsspuren am Pfeiler, Dübellöcher, Mörtel– und Fassungsreste sowie ausgetauschte Steine auf eine Treppe, die sich um den Pfeiler gewunden hat und auf das Dach des Baldachins führte. Zur Stabilisierung des Ziboriums wurden zudem eiserne Streben unter den Arkaden eingezogen. Im Zuge der Rückführung der Klosterkirche auf ihre vermeintliche Ausgestaltung zu Zeiten der Zisterziensermönche wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts alle frühneuzeitlichen Auf– und Anbauten entfernt.
Zusammen mit dem Einbau des neuen Chorgestühls und der dadurch erfolgten Versetzung der romanischen Chorschranke nach Westen (Mitte des 15. Jahrhunderts) sowie der Aufstellung des großen Steinkreuzes in der Laienkirche (1473) zählen die beiden Ziborien zu den letzten großen Ausgestaltungen der Klosterkirche in vorreformatorischer Zeit. Die abgearbeiteten Altäre unter den Altarbaldachinen zeugen vom Einzug des neuen Glaubens in Maulbronn.
VII.5 Die Graffiti der Klosterschüler im Chorgestühl
1587–1607
Kloster Maulbronn, KlosterkircheSchon im 16. und 17. Jahrhundert verspürten die Maulbronner Klosterschüler den Drang, sich am Ort ihrer Studien in Holz und Stein zu verewigen. Solche Graffiti finden sich auch in anderen ehemaligen Klosterschulen, wie in den Alpirsbacher Dormentzellen oder im Bebenhausener Kreuzgang. In Maulbronn sind vor allem die Klostermauern und das gotische Chorgestühl mit unzähligen Buchstaben, Namenszügen und Jahreszahlen aus fünf Jahrhunderten versehen.
Söhne unvermögender Eltern konnten Zugang zu höherer Bildung erlangen, indem sie sich beim Eintritt in eine württembergische Klosterschule für den späteren Dienst als evangelische Geistliche in Württemberg verpflichteten. Nach der Aufnahmeprüfung, dem Landexamen, lernten die 10– bis 14–jährigen Jungen zunächst in den "niederen Klosterschulen", dann wurde in die "höheren Klosterschulen" wie Maulbronn gewechselt. Nach drei bis vier Jahren in Maulbronn erlangten sie den ersten akademischen Grad, das Bakkalaureat, und immatrikulierten sich im Tübinger Stift, um ihr Studium nach zwei bis vier Jahren ;ndash; nicht immer begann man gleich nach der Einschreibung auch mit den tatsächlichen Studien – mit dem "Magister artium" abzuschließen.
Mühsam haben Maulbronner Klosterschüler am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts ihre Namen und Jahreszahlen in das harte Eichenholz des Chorgestühls geritzt. Vor allem der erlangte Grad eines "Bakkalaureus Artium" schien der gebührende Anlass für die Verewigung in der Klosterkirche gewesen zu sein – kurz bevor der Schüler Maulbronn verlies und seine Studien an der Tübinger Universität aufnahm.
Der 1569 in Erzingen bei Balingen geborene Sohn des Pfarrers Caspar Scharpff hinterließ Simon: Scharpff. Wetterspa.15.87. Aus den Matrikeln der Universität Tübingen ist ersichtlich, dass Simon Scharpff aus Grünwettersbach stammte, seit 1586 in Tübingen immatrikuliert war, aber von der Klosterschule aus seinen "Bakkalaureus" am 5. April 1587 erlangte. Eineinhalb Jahre später nahm er im Oktober 1588 seine Studien in Tübingen auf und schloss sein Theologiestudium 1592 mit dem "Magister Artium" ab. Scharpff ist dann in den Archivalien als evangelischer Pfarrer zwischen 1597 und 1629 in verschiedenen kleineren Orten des heutigen Landkreises Heilbronn nachweisbar.
Im Hinblick auf die Erforschung von Namen, Berufen, Herkunft und sogar Vorlieben und Abneigungen der "Übeltäter" sind die Kritzeleien und Einritzungen wichtige Quellen und bieten Einblicke in die Zeit der Maulbronner Klosterschule.
VII.6 Das Maulbronner Passionsrelief
[1390/1394], Südwestdeutschland
Eichenholz, mit Resten polychromer Fassung und Vergoldung
Drei Szenen in Fragmenten:
Kreuzannagelung (105 × 118 × 31 cm),
Kreuzigung (linker Teil: 109 × 45 × 30 cm, rechter Teil: 100 × 42 × 27 cm),
Beweinung (114 × 120 × 35 cm)
Kloster Maulbronn, Klosterkirche, Inv. Nr. K–11–3–11Die Maulbronner Folge von drei Reliefszenen mit Darstellungen aus der Passion Christi ist ein besonders seltenes Monument spätmittelalterlicher Skulptur. Bis heute geben die ungewöhnlich großen Figuren, die sich durch ihre hervorragende künstlerische Qualität auszeichnen, der Forschung Rätsel auf. Keine Quelle berichtet über ihre Herkunft, den verantwortlichen Künstler oder den ursprünglichen Zusammenhang der Aufstellung.
Bei genauerer Betrachtung fällt die sorgfältige plastische Ausarbeitung auf, die dem Bildwerk große Tiefe und Lebendigkeit verleiht. Dieses Fragment, das der Hauptszene der Kreuzigung entstammt, zeigt die in Ohnmacht sinkende Maria, von Magdalena und einer weiteren Frau gestützt. Die stark verstümmelten Figuren dahinter stellen Longinus, der mit Hilfe des ihn begleitenden Soldaten nach Christi Tod seine Seite mit dem Speer öffnete, und Stephaton, der Christus den Essigschwamm zum Mund führte, dar.
Alle Reliefs wurden absichtlich durch Axt– oder Säbelhiebe beschädigt, die tiefe Spuren hinterließen: Die Nasen der meisten Figuren sind abgeschlagen, Attribute wie Waffen und Stricke fehlen. Wahrscheinlich stammen diese Zerstörungen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, speziell aus den Jahren 1632 bis 1634, als schwedische Truppen das Kloster Maulbronn besetzt hielten.
Ende des 20. Jahrhunderts konnten Heribert Meurer und Holger Schumacher durch ihre Untersuchungen zu Stil und Ikonographie der Bildwerke schlüssig nachweisen, dass die Passionsreliefs in die 90er–Jahre des 14. Jahrhunderts datieren. Als stilistische Vorbilder aus den 1380er–Jahren sind Werke aus dem Kreis der Bildhauerfamilie Parler, wie das Petersportal des Kölner Domes, zu nennen. Allerdings zeigen die Maulbronner Figuren auch Merkmale des beginnenden Weichen Stils der 1390er–Jahre sowie franko–flämische Einflüsse und südwestdeutsche Eigenheiten in der Gewandbehandlung.
VII.15 Der Versuch einer Abtsneuwahl
1534 November 31
Ausfertigung, Papier, 3 Blatt, Folio
HStAS A 502 Bü 31 Nr. 9Zur Vergrößerung bitte hier klickenAbt Johannes von Lienzingen hatte sein Kloster mit den wichtigsten Verwaltungsunterlagen, Kleinodien, Barvermögen und den Siegeln verlassen. Die drohende Inventur des Klostervermögens sollte so verhindert werden. Er floh in den Klosterhof zu Speyer und entzog sich damit dem Zugriff des Herzogs.
Ende November wollte der Landesherr daher eine Neuwahl des Abtes im Kloster Maulbronn abhalten lassen. Der Obervogt zu Maulbronn Erpf Ulrich von Flehingen sowie der herzogliche Verordnete Reinhart von Sachsenheim sollten die Wahl beaufsichtigen, um sie zugunsten eines herzoglichen Kandidaten beeinflussen zu können.
Nachdem die Konventualen gemeinschaftlich eine Neuwahl abgelehnt hatten, wurden sie einzeln verhört und zu einer Neuwahl gedrängt. In der Zwischenzeit hatte aber der Abt seinem Konvent aus dem Exil geschrieben und den Widerstand gestärkt, sodass die Verordneten den Befehl des Herzogs nicht ausführen konnten.
VII.16 Die Stellungnahme der Maulbronner Konventualen
1534, Maulbronn
Ausfertigung, Papier, 4 Blatt, Folio
HStAS A 502 Bü 31Zur Vergrößerung bitte hier klickenIn der "Defensio et Responsio" gegenüber Herzog Ulrich wird die Unentschlossenheit und Verzweiflung der Maulbronner Konventualen deutlich. In sieben Punkten legen sie dar, warum sie nicht gegen ihren Prälaten handeln können. Ein möglicher Rechtsstreit würde nicht zum Wohl des Klosters beitragen: Daß wir aber solten wider unsern prelaten suppliciern und gegen ime in rechtfertigung kommen, steen wir in sorgen; es werd uns und dem gotshauß nit zu nutz und gutten kommen. Sie befürchten zudem, dass der Abt die Kleinodien, Freiheiten, Lagerbücher und Barschaften des Klosters, die er aus Maulbronn mitgenommen hat, verpfänden, verkaufen oder anderweitig abgeben könnte. Auch die Wahl eines neuen Prälaten birgt in ihren Augen die Gefahr, einen neuen Rechtsstreit gegen sich und den neuen Abt herbeizuführen. Anderes Fehlverhalten können sie Johann von Lienzingen nicht vorwerfen, da er stets mit "geistlichem und weltlichem Wissen" zur Verbesserung des Klosters beigetragen habe. Außerdem wollen sie sich nicht gegen den Abt aussprechen, weil sie ihm gegenüber den Eid geleistet haben, nicht gegen ihn zu handeln. […] So wir mit dem gehorsame und pflicht ime verwandt, auch die consilarii, mit einem sonderen aidt wider unsern hern nit zu handeln verbünden unnd solcher pflichtwir nit erledigt; wissen nit, wie wir solichen pflichten zuwider etwas clagen oder fürnemen sollen mit gutten gewissen gegen got auch gegen der welt wie wirs sollen verantworten […].
VII.21 Der Nekrolog des Klosters Pairis
1650
Reinschrift, Papier
Archiv–Haut–Rhin Colmar 11H1⁄10
(Ausgestellt: Reproduktion)Zur Vergrößerung bitte hier klickenDas Zisterzienserkloster Pairis, nicht weit von Colmar gelegen, wurde 1138 als klösterliche Niederlassung gegründet und erreichte im 12. und 13. Jahrhundert ein gewisses Maß an wirtschaftlicher und kultureller Blüte. Nach seinem wirtschaftlichen Niedergang wurde der Konvent Mitte des 15. Jahrhunderts dem Kloster Maulbronn inkorporiert, das Mutterkloster übernahm die finanzielle Sanierung des Konvents, alle wichtigen Funktionen wurden von Maulbronner Mönchen ausgeübt. Abt Johannes von Lienzingen wurde 1521 zum Abt von Maulbronn und Pairis gewählt. Die Reformation beendete diese enge Verbindung. Nach seiner Flucht vor Herzog Ulrich verlegte der Maulbronner Abt Johannes 1536 die Maulbronner Abtei kurzerhand nach Pairis – gleichsam der umgekehrte Weg wie knapp hundert Jahre zuvor. Vor dem Generalkapitel begründete Abt Johannes sein Vorgehen mit den Verfolgungen durch den württembergischen Herzog und den Folgen "der geistlichen Pest der lutherischen Sekte".
Der Nekrolog entstand 1650 auf Veranlassung Abt Bernhard Buchingers (1603–1673). Buchinger war seit 1642 Abt von Maulbronn, musste aber das Kloster verlassen, als es 1648 wieder dem Herzogtum Württemberg zugeschlagen wurde. Er kehrte nach Pairis zurück – dort hatte er 1616 seine geistliche Laufbahn als Klosterschüler begonnen. Dem Nekrolog vorangestellt ist eine Geschichte des Klosters Pairis, in der auch die Vertreibung von Abt Johannes aus Maulbronn durch Herzog Ulrich beschrieben ist: Vlricus Dux de Wirtenberg nova Lutherana secta imbutus, Mulbrunam invadit (fol. 3r).
VII.26 Ein liturgisches Fragment aus Maulbronn
15. Jahrhundert
Pergamenteinband
HStAS H 102/49 Bd. 195Mit diesem Fragment eines Graduale aus dem Kloster Maulbronn wurde 1564 ein Lagerbuch des Klosters gebunden. Seinen liturgischen Wert hatte das Werk verloren, doch wegen seines Materialwerts wurde es zugeschnitten und weiterverwendet.
Das Blatt enthält den Schluss des Formulars für Märtyrermessen (De Martyribus) mit dem Alleluia V Beatus vir qui timet, dem Offertorium Iustus ut palma und der Communio Magna est gloria sowie den Beginn des Formulars für Bekenner (De Confessoribus).
VII.28 Valentin Vannius' Bericht zur Verwaltung der Klosterschule Maulbronn
1557 Oktober 10, [Maulbronn]
Papier, 30 × 20,5 cm, 7 Blatt
HStAS A 502 Bü 40Zur Vergrößerung bitte hier klickenMit der Anerkennung der Klosterordnung am 9. Januar 1556 wurden Maulbronn und 13 weitere Klöster in Württemberg reformiert. Damit begann die Zeit der Klosterschulen, in denen zukünftig der geistliche Nachwuchs der evangelischen Kirche des Herzogtums ausgebildet werden sollte. Für einen erfolgreichen Aufbau der Klosterschule wurde Valentin Vannius, Stadtpfarrer zu Cannstatt und Generalsuperintendent, als Leiter nach Maulbronn berufen. Die Visitation der Klosterschule musste er wegen schwerer Krankheit nach wenigen Wochen abbrechen. Er hatte dem Unterricht beigewohnt und sich einen Überblick über die Lerninhalte sowie über die räumliche Situation der Schule verschafft.
Im Oktober 1557 schrieb Vannius in einem Bericht an Herzog Christoph, welcher gestalt das pedagogium zu Maulbrunn […] administriert werden soll. Diese Ordnung umfasst zum einen die räumliche Unterbringung der Schule im dreistöckigen Siechenhaus – gemeint ist das Pfründehaus –, wo Schlaf– und Wohnbereiche der Präzeptoren im dritten Stock, die der Schüler im zweiten Stock sowie Speise– und Unterrichtsräume "unter einem Dach" geplant waren. So sollte die Unterbringung der maximal 40 Schüler sichergestellt und ihre Aufsicht erleichtert werden.
Der zweite Teil der Ordnung befasst sich mit der Gestaltung des Unterrichts. In Anlehnung an die Kirchenordnung umfasste dieser die Lehre der Theologie, Grammatik, Rhetorik und Dialektik sowie der lateinischen Sprache als Grundlage aller Unterrichtseinheiten. Konrad Weiß, letzter Konventuale des Klosters, sollte den Theologieunterricht übernehmen, wenn nötig mit Hilfe von Bidembach und Vannius. Nach Beratung mit Jakob Andreae, Dietrich Schnepf und Eberhard Bidembach sollten hier künftig die Bibel und Melanchthons "loci", das erste Grundlagenwerk der evangelischen Glaubenslehre, kursorisch gelesen werden. Diese Lektüre und die ständige Anwendung der Artes, die ein Magister übernehmen sollte, bereiteten die Schüler optimal für das Theologiestudium in Tübingen vor.
VII.33 Das württembergische Wappen in einer Marienkapelle?
[Nach 1504]
Kloster Maulbronn, Schrägbau Erdgeschoss
Foto: Landesamt für Denkmalpflege, StuttgartDie östliche Stirnwand des Schrägbaus ist im Erdgeschoss mit einem Mariengemälde geschmückt. Die thronende Maria mit dem Kind wird zu beiden Seiten von knienden Ordensheiligen angebetet. Wahrscheinlich handelt es sich um den hl. Benedikt und den hl. Bernhard von Clairvaux.
Unterhalb der Maria, an zentraler Stelle, befindet sich das wohl älteste Zeugnis der württembergischen Schirmherrschaft über das Kloster Maulbronn. Dort wurde großflächig das württembergische Herzogswappen eingefügt. Der heute schlechte Zustand der Malereien sowie einige Überarbeitungen erschweren die exakte Datierung, doch darf davon ausgegangen werden, dass die Aneignung der Schirmherrschaft über das Kloster 1504 der Anlass für die herrschaftliche Machtdemonstration des württembergischen Landesherrn gewesen ist.
Der Raum wird unter anderem als einstige Marienkapelle verstanden – der frühere Altar wird an der Stelle des herzoglichen Wappens vermutet.
VII.36 Das Porträt Herzog Ulrichs im Gewölbe
1517
Rötelzeichnung
Kloster Maulbronn, Herrenrefektorium1517 schmückte man das Herrenrefektorium mit einer Gewölbemalerei. Verschlungene Ranken, gefiedertes Beiwerk und beerenähnliche Früchte wechseln sich dabei mit heraldischen Elementen ab; den Höhepunkt bildet das Porträt eines jungen Herrn mit lockigem Haar, der im Brokatgewand und mit besticktem Barett auf die Lesekanzel herunter blickt. Es handelt sich dabei um den Landesherrn selbst, der sich hier – wohl als Auftraggeber – hat verewigen lassen. Von seiner Position aus blickt er auf die in der Ostwand des Raumes eingelassene Lesekanzel.
Siebzehn Jahre später, mit Einführung der Reformation, sollte es gerade diese Position des Lesemeisters sein, die der Herzog als erstes neu besetzen ließ. Vom Magister Leonhard Weller sollte der Konvent von nun an die Ideen und Texte der neuen Lehre hören. Der Landesherr war damit an zwei prominenten Stellen im Kloster mit seinem Wappen präsent: im Schrägbau, eingefügt ins Zentrum eines Mariengemäldes, sowie hier im Speisesaal, in Kombination mit seinem Porträt, den Blick auf den Konvent gerichtet.