Virtuelle Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart
Siegel - mittelalterliche Kleinodien
Mehrseitiger Artikel
Kapitel 6: Siegel anderer Siegelinhaber
Im Mittelalter hatte jeder das Recht, sich ein Siegel zuzulegen und es auch zu führen. Daher ist der Kreis der potenziellen Siegelinhaber nicht begrenzt und umfasst recht heterogene Siegelführer. Heterogenität, also Vielfalt, ist auch für die Siegel dieser (Rest-) Gruppe charakteristisch. Für sie gibt es keine kennzeichnenden Siegeltypen, -farben und -formen. Auch lassen sich keine Entwicklungen in der Siegelgestaltung feststellen, außer der allgemeinen Tendenz zum Wappensiegel. In der Gruppe sind Siegel von Familien, Zünften, Universitäten und Behörden versammelt. Eine Besonderheit sind die Siegel mit redenden Motiven, die auf den Namen des Siegel- inhabers Bezug nehmen.
Ursprünglich bestand für Juden kein Bedarf, Rechtsgeschäfte mit Hilfe eines Siegels (hebräisch chotam) zu beglaubigen, da nach jüdischem Verständnis allein die Unterschrift (hebräisch chatima) als Beglaubigungsmittel genügte. Mit der Zunahme der Rechtsgeschäfte zwischen Juden und Christen wurde es allerdings auch für Juden notwendig, diese mit Siegeln zu beglaubigen. So sind seit dem Ende des 13. Jhs. Siegel von jüdischen Gemeinden und Personen überliefert, die häufig in ihrem Siegelbild hebräische Schriftzeichen und jüdische Symbole – wie den Davidstern (hebräisch Magen David), die Mondsichel und den sog. Judenhut – aufwiesen.
Mit der Ausweisung der Juden aus vielen Reichsstädten und Territorien des Heiligen Römischen Reichs im 15. und 16. Jh. ging eine Veränderung in der Sozialstruktur innerhalb der jüdischen Gesellschaft einher. Während bis dahin die meisten Juden in den Städten lebten, wohnte fortan – abgesehen von Frankfurt, Worms und einzelnen anderen Städten – die Mehrzahl der Juden auf dem Land. Diese Entwicklung verursachte eine soziale Marginalisierung der Juden. Als Konsequenz daraus wurde die Siegelführung ab dem 16. Jh. zu einem Privileg einzelner reicher Juden.
Das hier ausgestellte Siegel des Josel von Rosheim (1476-1554) ist ein schönes Beispiel für das Siegel eines solchen Angehörigen der jüdischen Oberschicht. Dieses Siegel stellt einen Stierkopf und darüber eine hebräische Inschrift dar. Das Motiv des Stiers wurde von Josel von Rosheim sicher mit Bedacht gewählt, steht der Stier doch für die Kraft Gottes, für Fruchtbarkeit und Stärke. Josel von Rosheim war Rabbiner, Händler und Geldverleiher im Elsass. Vor allem vertrat er dank seines diplomatischen Geschicks die Interessen der jüdischen Gemeinden zunächst im Elsass, später im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Polen. So konnte Josel von Rosheim etwa die Ausweisung von Juden aus einzelnen Städten und Gemeinden im Reich verhindern. Er wurde als Befehlshaber der Juden im Reich angesehen. Im Jahre 1520 erhielt Josel von Rosheim von Kaiser Karl V. einen Schutzbrief für alle im Reich lebenden Juden, der zehn Jahre später erneut vom Kaiser im Edikt von Innsbruck bestätigt wurde. Auf dem Reichstag in Augsburg 1530 setzte sich Josel von Rosheim für eine Regelung der Geschäftsbeziehungen zwischen Juden und Christen ein. Immer wieder verteidigte er die Rechte der Juden gegen den zunehmenden Antisemitismus im Reich. Auch außerhalb waren Josel von Rosheims Rat und Wirken gefragt.
Nach Franz Battenberg, Sonne, Mond und Sternzeichen. Das jüdische Siegel in Mittelalter und Früher Neuzeit, Darmstadt 2007.
Ein sehr originelles Beispiel für ein redendes Wappen bzw. Siegel führte der Schöntaler Notar Sebastian Anton Bumm. Auf dem Siegel ist ein Mörser zu sehen, der eine Kugel abschießt, die auf eine Burg zielt. Sogar der Flugverlauf der Mörserkugel ist im Siegelbild zu erkennen. Sobald die Mörserkugel auf die Burg trifft, macht es "Bumm", womit wir wieder beim Nachnamen des Notars sind. Die Gestaltung des Siegelbildes ist sehr erfindungsreich und zeugt vom Humor und der Phantasie des Mannes mit dem "explosiven" Namen. Neben dem Siegel mit dem redenden Motiv ist ein weiteres Siegel des Notars Bumm abgebildet, das allerdings im Vergleich dazu sehr konventionell ist. Dieses weist lediglich die Initialen von Sebastian Anton Bumm auf.
Christoph Matthäus Daniel Hahn (1755-1831), Sohn eines württembergischen Pfarrers, war 1775 als Kanzlist beim Kirchenrat tätig. Im Jahre 1794 erhielt er den Titel eines Sekretärs beim Kirchenrat. Später wurde Hahn Registrator und Sekretär bei der Oberfinanzkammer. Hahn war in erster Ehe mit einer Tochter des Landschaftsregistrators Johann Ludwig Fromm verheiratet. In zweiter Ehe vermählte er sich mit der Tochter des Schorndorfer Oberamtmanns Gottlieb Friedrich Paulus.
Der heilige Sebastian ist u. a. der Patron der Büchsenmacher, Soldaten und Schützenbruderschaften sowie der Pestkranken. Sebastian war nach der Legende ein römischer Offizier der Leibwache von Kaiser Diokletian. Da er sich öffentlich zum Christentum bekannte und verfolgten Christen half, verurteilte ihn Kaiser Diokletian zum Tode. Der heilige Sebastian wurde an einen Pfahl gebunden und von numidischen Reitern mit Pfeilen beschossen. Der Heilige überlebte dieses Martyrium jedoch und wurde von einer Witwe gesund gepflegt. Nach seiner Genesung kehrte der Heilige zu Kaiser Diokletian zurück. Dieser ließ ihn um 288 im Circus in Rom mit einer Keule erschlagen.
Über dem Kübel ist das Wappen der Stadt Tübingen mit der dreizipfeligen Kirchenfahne zu erkennen. Dieses Wappen geht auf die Pfalzgrafen von Tübingen zurück.
Das Siegel der Karlsschule zeigt in einer klassizistischen Kartusche das Signet Herzog Karl (Carl) Eugens von Württemberg, des Gründers der Schule. Dieses besteht aus den beiden ineinander verwobenen und verzierten Initialen "C". Über den Initialen befindet sich eine Krone. Dieses Signet findet man auch als Marke der ebenfalls von Herzog Karl Eugen gegründeten Porzellanmanufaktur Ludwigsburg wieder. Die Kartusche in dem Siegel ist auf einem Podest angebracht, auf dem auf der rechten Seite u. a. Fahnen, ein Helm und ein Kanonenrohr zu erkennen sind. Diese Gegenstände weisen auf den militärischen Charakter der Karlsschule hin. Links von der Kartusche ist ein Objekt abgebildet, das einem Globus ähnelt. Wahrscheinlich symbolisiert dieser Gegenstand den wissenschaftlichen Charakter der Karlsschule. Die übrigen Objekte auf der linken Seite können dagegen nicht identifiziert werden. Die Karlsschule wurde im Jahre 1770 als "militärische Pflanzschule" von Herzog Karl Eugen von Württemberg auf der Solitude gegründet und 1774 nach Stuttgart verlegt. Dort war die Karlsschule in einem großen Gebäude untergebracht, das zwischen dem Neuen Schloss und dem heutigen Hauptstaatsarchiv Stuttgart, etwa an der Stelle der gegenwärtigen Konrad-Adenauer-Straße lag. 1781 wurde sie von Kaiser Joseph II. als Hohe Karlsschule zur Universität erhoben. Zu dieser Zeit hatte die Hohe Karlsschule juristische, medizinische, philosophische, militärische und ökonomische Fakultäten und eine für die artes liberales, die Freien Künste. Lediglich eine theologische Fakultät fehlte. Herzog Ludwig Eugen von Württemberg löste die Hohe Karlsschule bereits 1794 auf.
Die Verleihung eines eigenen Siegels an die württembergischen Landstände durch Herzog Friedrich I. im Jahre 1595 war für diese von entscheidender Bedeutung. Endlich konnte der Landtag seine Briefe selbst versiegeln. Vor der Verleihung musste er diese unversiegelt versenden, womit das Briefgeheimnis nicht gewahrt war. Man kann sich auch heute noch sehr lebhaft vorstellen, dass dies natürlich ein unhaltbarer Zustand für den Landtag war. Auch konnte der Landtag als Körperschaft seine Urkunden nun selbst beglaubigen. Zuvor mussten anstelle des Landtages die einzelnen württembergischen Städte, die Vertreter in die Landstände entsandten, die Schuldbriefe und andere Urkunden besiegeln, was zu starken Einwänden der Städte führte. Diese befürchteten nämlich mit ihrer Besiegelung zugleich die Verantwortung für die Schulden übernehmen zu müssen. Aus der Sicht der Städte war dies völlig inakzeptabel. Daher versuchte der Landtag im 16. Jahrhundert mehrfach bei den jeweiligen Herzögen, das Siegelrecht zu erlangen. 1595 war es nach jahrzehntelangen Bemühungen des Landestages endlich soweit. Der Landtag konnte nun selbst besiegeln, was etwa auch den Geschäftsgang erleichterte und die Position des Landtages in rechtlicher und protokollarischer Hinsicht deutlich aufwertete.
Das von Friedrich I. verliehene Siegel war von 1597 bis 1805 im Gebrauch. Es stellt das württembergische Stammwappen mit den drei Hirschstangen über einem liegenden Hirsch und einer liegenden Hirschkuh dar. Das Motiv für das Siegel durfte der Landtag übrigens nicht selbst wählen, sondern wurde vom Herzog oder von dessen Räten mit Bedacht ausgesucht. Die wachsamen Hirsche mit aufgestellten Ohren stehen symbolisch für den Herrscher, der wachsam ist wie die Hirsche, den Rat der Landstände hört und gerecht regiert. Damit wollte sich Friedrich I. als gerechter und vorbildhafter Herrscher darstellen.
Detail
Nach Wilfried Schöntag: Die Siegelrechtsverleihung an die württembergischen Landstände im Jahr 1595. Stuttgart 2010.