Kapitel 2. Die württembergischen Landtage von 1457
In der Zeit der politischen und herrschaftlichen Krise, während der Teilung der Herrschaft Württemberg, entstehen erstmals im Jahr 1457 Landtage als politische Versammlungen der sich formierenden Landstände. Dabei erscheint die "Landschaft" im politischen Sinne als Vertretung der württembergischen Städte und Ämter. Sie rekrutiert sich aus den führenden bürgerlichen Schichten der Amtsstädte, der "Ehrbarkeit", und repräsentiert damit gleichzeitig auch die Untertanenschaft im Land.
Wohl im Juli/August 1457 in Stuttgart und dann im November 1457 in Leonberg traten die Landtage von Ritterschaft und Landschaft - je für eine Landeshälfte - zusammen. Die Stuttgarter Versammlung wurde einberufen, weil sich Ulrich V. angesichts des drohenden Krieges mit der Pfalz der Unterstützung der Landstände versichern wollte. Anlass zum Leonberger Landtag waren Ulrichs Auseinandersetzungen mit der Pfalz wegen der Vormundschaft über seinen Neffen Eberhard, den späteren Eberhard im Bart. Bereits bei diesem Zusammentritt entschied die Uracher Landschaft nicht nur über die Vormundschaftsfrage zugunsten des Württembergers, sondern sie gewann gleichzeitig politische Mitsprache, sollten doch auch Vertreter aus der Landschaft in den neuen Vormundschaftsrat berufen werden.
Es waren prekäre Notlagen, in denen sich der württembergische Graf Ulrich V. bzw. die Vormundschaftsregierung in Urach an die Landstände wandten. An die 'Landschaft' appellierte Ulrich V. in einer politischen Situation, als Land und Herrschaft Württemberg in der Auseinandersetzung mit der Kurpfalz endgültig auseinanderzubrechen drohten. Dabei geht es nicht nur um das Verlangen nach finanzieller Unterstützung zur militärischen Bewegungsfreiheit, sondern auch konkret um den gemeinsamen Zusammenhalt von Land und Herrschaft Württemberg.
Die gemeinsame Herkunft, Name, Stamm und Verwandtschaft über die beiden nun getrennten Landesteile Württemberg-Stuttgart und Württemberg-Urach hinweg werden betont, um das verbindende Landesbewusstsein für die Sache der Herrschaft einzunehmen. Die Identifizierung der Untertanen und ihrer Vertreter mit ihrem Land scheint zumal bei der "Ehrbarkeit" von großer Bedeutung gewesen zu sein, denn ihre Unterstützung sollte Graf Ulrich vor allem entlasten. War die Regierungsgewalt zuvor auf den Herrscher und dessen meist niederadelige Räte und Diener beschränkt, so erhält nun die breitere Gesellschaft in Württemberg erstmals die Möglichkeit zur politischen Partizipation.
Archivalische Quellen
Quellen im Bestand A 602 "Württembergische Regesten", die den Großteil der altwürttembergischen Überlieferung aus der Zeit von
1301 bis 1500 vereinigt:
HStAS A 602 Nr. 269
Appell Graf Ulrichs an die Uracher Landschaft. [1457]
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HStAS A 602 Nr. 169
Der württembergische Landtag in Stuttgart. Juli/August 1457
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HStAS A 602 Nr. 173
Das älteste Anbringen der württembergischen Landschaft. 1457
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HStAS A 602 Nr. 279, 5a / 5c
Die Leonberger Regimentsordnung [1457]
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Kaiser Friedrich III. bestätigt Graf Ulrich V. die
Vormundschaft über dessen Neffen Eberhard. 1458
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