Kapitel 8. Der Landtag von Baden-Württemberg: Demokratisches Zentrum eines neuen Landes
Nach dem Untergang des NS-Regimes im Frühjahr 1945 gab es keine deutsche Staatsautorität und keine deutsche Regierung mehr. Die uneingeschränkte politische Gewalt war an die Siegermächte übergegangen. Deutschland lag politisch und wirtschaftlich am Boden. Die Amerikaner gestanden schon rasch, die Franzosen nur zögernd der deutschen Bevölkerung wieder politische Rechte zu. Im Juni 1946 fanden in der amerikanischen Besatzungszone allgemeine Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden statt, die ersten freien Wahlen nach 14 Jahren. Noch im November 1946 wurde auch der 1. Landtag von Württemberg-Baden gewählt.
In den französisch besetzten Ländern Baden und Württemberg-Hohenzollern wurden im Jahr 1947 eigene Verfassungen ausgearbeitet und Landtage gewählt, die in Freiburg bzw. im Kloster Bebenhausen tagten. Nachdem im Juli 1948 die westlichen Alliierten die deutschen Regierungschefs zu Vorschlägen über territoriale Neugliederungen der Länder in ihren Besatzungszonen ermächtigt hatten, setzte in Südwestdeutschland für mehrere Jahre ein zähes Ringen um den neuen Südweststaat ein, bis sich dieser auch politisch durchsetzen und 1952 aus den drei bisherigen Ländern das neue Bundesland Baden-Württemberg gebildet werden konnte. Ausschlaggebend hierfür war das Votum der Bevölkerung, die sich im Dezember 1951 mehrheitlich für einen gemeinsamen Staat im deutschen Südwesten ausgesprochen hatte.
Am Beginn der Geschichte des Landtags von Baden-Württemberg steht die Wahl der Verfassungsgebenden Landesversammlung vom März 1952. Ihr Präsident wurde der Heidelberger Oberbürgermeister Carl Neinhaus, der anschließend auch Präsident des 1. Landtags von Baden-Württemberg werden sollte. Aus der Verfassungsgebenden Landesversammlung wurde nach Verabschiedung der Verfassung von Baden-Württemberg der 1. Landtag als demokratisches Zentrum des neuen Bundeslandes. Nach Reinhold Maier (FDP/DVP) führte Gebhard Müller (CDU) als Ministerpräsident eine Allparteienregierung, bevor Kurt Georg Kiesinger (CDU) 1958 im Amt folgte.
Hatte der Stuttgarter Landtag seit dem 16. Jahrhundert in der Kronprinzenstraße getagt, wo das Landesparlament bis zu seiner Auflösung 1933 in repräsentativen Gebäuden untergebracht war, so mussten nach deren Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zunächst Notunterkünfte für die Volksvertretungen gesucht werden. Ein Neubau für den Landtag des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg stand länger in der öffentlichen Diskussion, bis das "Haus des Landtags" als neues repräsentatives Zentrum der politischen Vertretung des Landes 1961 eingewiehen wurde. Es steht - ergänzt um das 1987 fertiggestellte Haus der Abgeordneten - gleichzeitig für den Neubeginn wie für die demokratische Tradition im deutschen Südwesten.