I. Württemberg um 1500: Der "Arme Mann" steht auf
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I.2 Der Vogt auf dem Bauernhof
Ein gewaltsamer Auftritt auf einem Bauernhof: Während zwei Herren den Hof inspizieren, nähert sich der Bauer mit einem Knüppel von hinten, um zuzuschlagen. Der Grundherr und sein Hofmeister oder Vogt erscheinen hier in reicher, modischer Kleidung. Der Bauer verwehrt ihnen den Zutritt zu seinem Haus und seiner Familie, die ängstlich aus den Fenstern blickt. Schweine, Gänse, Hühner und Schafe umrahmen die Szene, im Hintergrund sind Bienenstöcke und ein Taubenhaus zu sehen.
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I.3 Der Bauer zu Hause
Ein Bauer sitzt nach getaner Arbeit zu Hause beim Essen. Seine Kleider hat er zum Trocknen auf eine Stange vor dem Ofen gehängt, seine Axt mit einigen Holzscheiten ist daneben auf einer Bank abgestellt. An der Wand darüber hängen einige Säcke und Gürtel, auf dem Tisch liegen Kräuter und Gemüse, daneben steht ein Krug. Er isst mit einem großen Holzlöffel einen Brei aus einer langstieligen Schüssel, dazu hat er ein Stück Brot. Er trägt feste Kleidung, noch eine Mütze auf dem Kopf und eine Tasche am Gürtel. Auch die blattlose Vegetation vor dem Haus verweist auf den kalten Winter, der den Bauern mit Waldarbeit beschäftigt und ihm nur ein karges Mahl anbietet.
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I.4 Bauernkleider: Hose, Hemd, Gürtel, Schuhe
Zu den bedeutendsten Stücken, die 1958 im Kloster Alpirsbach im Schwarzwald unter dem Dielenboden des Dorments, in einem Gewölbezwickel des Kreuzgangs zu Tage gekommen sind, zählen einmalige Textil- und Lederfunde aus der Spätzeit des Klosters und der evangelischen Klosterschule. Besondere Bedeutung besitzt der Fund einer Männerhose aus grobem Leinen, die durch harte körperliche Arbeit ihres Trägers starke Verschleißerscheinungen aufweist. Aufgrund ihres Schnittes lässt sich diese Hose in die ersten beiden Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts datieren. An ihren Beinen fehlen heute zwar Spitzen und Sohlen, und die Fersen sind ausgerissen, doch zählen diese frühneuzeitlichen Beinkleider zu den einzig erhaltenen ihrer Art. Die Hose ist im schrägen Fadenverlauf zugeschnitten und besitzt keine Abfütterung. Im Gesäßbereich wurden zwei Keile eingesetzt, die mit den Vorderseiten der Beinlinge auf der Rückseite vernäht sind und für die nötige Bewegungsfreiheit sorgten. Der 3 cm breite Bund ist an der Hose angesteppt, nach innen umgelegt und versäubert. Die Hose ist vorn bis zum Schritt hin offen, darüber liegt der Latz mit angeschnittener Schamkapsel, die aus zwei deckungsgleichen, durch eine Mittelnaht verbundenen Teilen gefertigt ist. Der Latz wird über dem vorderen Schlitz angenestelt. Wahrscheinlich wurde die Alpirsbacher Männerhose zusammen mit Kuhmaulschuhen getragen. Im Fundkonvolut von 1958 hat sich ein Exemplar für einen rechten Fuß erhalten. Der rahmengenähte, um das Jahr 1500 zu datierende Kuhmaulschuh weist zwei Sohlen auf und besteht aus zweiteiligem Oberleder und einer extra zugeschnittenen Ferse. Vorderblatt und Seitenquartiere sind aus einem Stück gefertigt. Die gesamte Öffnung des tief ausgeschnittenen Schuhs ist mit einem schmalen Lederband eingefasst. Eingepresste Linien auf der Zehenkappe folgen dem kielbogenförmigen Umriss. Drei Hemden nach einheitlichem Schnittmuster verblüfften im Fundkontext durch ihren guten Erhaltungszustand. Sie sind aus ungefärbtem Leinenstoff gefertigt und scheinen von Jugendlichen getragen worden zu sein. Als Träger kommen die 10- bis 14-jährigen Klosterschüler in Betracht – datiert werden können die Hemden daher bereits in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts.
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I.5 Ein Bundschuh
Bundschuhe zählen zu den ältesten Fußbekleidungen des Mittelalters und sind bereits für das 12. Jahrhundert nachgewiesen. Das hier gezeigte Exemplar aus dem Kloster Alpirsbach wurde 1958 aufgefunden, ist wendegenäht und besteht aus einer Sohle, einem Randstreifen und dem einteilig zugeschnittenen Oberleder. Abnützungen auf der Sohle und im Oberleder deuten auf zwei unterschiedliche erwachsene Träger hin: Die eine Person ging vermutlich mit nach innen gewendeten Fußspitzen und besaß einen nach oben verrenkten kleinen Zeh. Die zweite Person litt offenbar an einem angeborenen Sichelfuß, bei dem der gesamte Fuß stark nach innen gekrümmt war, wodurch der Träger nicht über den Mittelfußknochen abrollen konnte und durch diese Fußbehinderung hinkte. Als Symbol des sich am Oberrhein und in Württemberg zwischen 1493 und 1517 gegen die Obrigkeit erhebenden Volkes wurde der Bundschuh als verbindendes Zeichen auf Stangen und Fahnen ins Feld geführt.
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I.9,10 Holzschüssel und Holzlöffel
I 9 Holzschüssel
Holzschüsseln wie dieses Exemplar aus dem Kloster Alpirsbach zählten zum gängigen Tischgerät, das sich für das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit nachweisen lässt. Die hier gezeigte Schüssel ist aus gedrechseltem Eschenholz gefertigt, besitzt eine ovale Form und einen mittels einer kleinen Hohlkehle abgesetzten, aufschwingenden Rand. Auf dem Boden befindet sich eine doppelt eingebrannte Marke, vielleicht des einstigen Besitzers.
I 10 Holzlöffel
Der Holzlöffel weist eine breite, tropfenförmige Löffelschale (Laffe) auf, sein sehr kurzer, am Ansatz dicker geformter Stiel ist facettiert. Die Laffe ist durch eine eingetrocknete Flüssigkeit rötlich verfärbt. Aufgrund seiner gedrungenen Form kann er in die beginnende Frühe Neuzeit datiert werden.
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I.11 Die Wallfahrt nach Niklashausen
Der Hirte und Musikant Hans Böhm begann 1476 auf eine Marienerscheinung hin in dem kleinen Dorf Niklashausen an der Tauber zu predigen. In leidenschaftlichen Worten griff er sowohl die Geistlichkeit und das kirchliche Pfründensystem an wie auch die Hierarchie der sozialen und politischen Ordnung. Er predigte die Gleichheit aller und forderte die Abschaffung von Abgaben und Steuern. Aus dem ganzen deutschen Reich, besonders auch aus Schwaben, strömten ihm die Massen entgegen, bis ihn der Bischof von Würzburg schließlich als gefährlichen „Propheten“ verhaften und als Ketzer verbrennen ließ.
Unmittelbar unter dem Eindruck der Geschehnisse ist ein Spruchgedicht von 499 paarweise gereimten Versen entstanden, das die radikalen Maßnahmen des Bischofs verteidigt und dafür um Verständnis wirbt. Sein gelehrter Verfasser wird entsprechend im Umfeld des Würzburger Bischofshofs gesucht, wo er detailliert über die ungeheuerlichen Vorgänge im nahen Taubertal unterrichtet war.
Der Titelholzschnitt des Drucks spricht für sich: Der Musikant Hans Böhm, der gleichzeitig die Trommel schlägt und auf der Flöte pfeift, ist umgeben von seiner Schafherde mit Hund und nimmt gerade seine Marienerscheinung wahr: In einem stilisierten Dornbusch tritt ihm Maria als Himmelskönigin mit Krone, Szepter und Heiligenschein, das Kind auf dem Arm, entgegen: Hier im hügeligen Taubertal, unterhalb der mit ins Bild gesetzten Gamburg, ist sie gnädig – so seine Botschaft.
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I.12 Vom Paucker zu Niklashausen
In einer Sammelhandschrift des Zisterzienserklosters Bebenhausen bei Tübingen ist eine der beiden zeitgenössischen Abschriften des Spruchgedichts „Vom böcker zu Nyclashusen“ überliefert, welche die zeitnahe Rezeption der Niklashäuser Vorgänge auch im schwäbischen Bereich dokumentiert.
Der folgende Auszug berichtet von dem „neuen Propheten“ und „armen Tor“, der die freie Nutzung von Holz und Wasser forderte und zur Ablehnung der obrigkeitlichen Steuern und Zölle aufrief.[...]
Man sagt das in allen landen
es sy ain nuwer prophet uffgestanden
zu Niclashusen und hab gelert,
an den sich laider vil lutte habend gekert
und mainten, es sölt also gescheuen,
als der arm thore hat geiehen.
Es solt hinfur blyben daby
das holtz und wasser fry,
solten wesen yederman.
Darnach solt es über die obersten gan.
Das vock [!] solt och dawidder streben,
das man den fursten zol sölt geben.
Nu hat ye Cristus die war warhait
durch sinen göttlichen mund geseyt:
Gebt got was got gehort
unnd dem kayser och was im zusteyt
[...]
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I.15 Der Schwur auf den Bundschuh
In der von Pamphilius Gengenbach in Basel schnell besorgten Zweitauflage seines Büchleins vom Bundschuh gibt der Titelholzschnitt eine zentrale Szene des Bundschuhaufstands im Breisgau wieder: den Schwur auf den Bundschuh. Die Bauern leisten mit entblößtem Haupt und aufgereckter Rechten den Eid, der von drei Hauptleuten unter der Bundschuhfahne abgenommen wird. Dabei erkennt man den Fähnrich Jakob Huser, der die Fahne hält, und im Bildzentrum Joß Fritz, der gerade zum Anführer gewählt worden war und den Eid vorzusprechen scheint. Er hat die Rechte ebenfalls zum Schwur erhoben, seine Linke umklammert einen Rechen.
Die Fahne zeigt hier wiederum die Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes, darunter aber ein betendes Bauernpaar. Im Hintergrund der Darstellung verhindert ein Engel die Opferung Isaaks durch Abraham, daneben sind Bauern mit Rechen bei Feldarbeiten zu sehen.