II. Herzog Ulrich und seine "Ehrbarkeit"
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II.2 Herzog Ulrich und sein Hof
Die Erziehung von Herzog Ulrich am Stuttgarter Hof hatte unter den misslichen familiären und politischen Konstellationen sehr leiden müssen, eine humanistische Bildung blieb ihm untersagt. Dabei neigte er schon bald zu höfischer Prachtentfaltung und Repräsentation adeliger Standeskultur. Durch die von Kaiser Maximilian forcierte Verlobung mit dessen Nichte, Herzogin Sabina von Bayern, sollte die Verbindung Habsburgs mit Württemberg ausgebaut werden. Doch Ulrich schob die Hochzeit immer wieder hinaus, bis sie dann am 2. März 1511 mit höfischem Glanz und außerordentlicher Pracht in Stuttgart gefeiert wurde. Der musikliebende Herzog hatte seine Hofkapelle inzwischen mit Sängern und Musikern mächtig verstärkt und mit Heinrich Finck einen bedeutenden Komponisten nach Stuttgart geholt, der ihm auch eine prachtvolle sechsstimmige Messe zur Hochzeit komponierte.
Als kostbarster Ausdruck repräsentativer Buchkultur gelten in diesem Kontext die berühmten Lorcher Chorbücher aus den Jahren 1511 und 1512. Ihr Auftraggeber und Mäzen war offenbar der Herzog selbst, der auf der ersten Seite der Gradualehandschrift gemeinsam mit seiner Frau Sabina dargestellt ist: Der blondgelockte Ulrich und seine Frau knien in andächtiger Stifterpose, die einem Hochzeitsbild entspricht. Sie sind entsprechend prächtig gekleidet und werden jeweils von zwei Herren des Hofes bzw. Hofdamen begleitet. Zwischen beiden stehen ihre Wappen, das württembergische und das bayerische, die gemeinsam den Wappenschild des Kaisers mit dem bekrönten Doppeladler stützen – Kaiser Maximilian ist auch hier präsent. Offensichtlich handelt es sich bei den prächtig ausgefertigten Lorcher Chorbüchern um eine Gemeinschaftsstiftung, die neben dem Brautpaar und dem Kaiser auch Vertreter des württembergischen Hofes in diesem Stifternetzwerk greifen lässt.
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II.5 Vierteltaler und Dukatenabschlag
Herzog Ulrich war nicht nur der erste Herrscher Württembergs, der goldene Münzen und – mit den Reitertalern – großformatige Silberprägungen ausgab. Er ließ auch die ersten württembergischen Münzen mit einem Porträt des Prägeherrn schlagen. So zeigen die Vierteltaler aus dem Jahr 1513 auf ihrer Vorderseite das Brustbild Ulrichs im Profil nach rechts.
Diese Darstellung folgt einem italienischen Vorbild – dem Testone, der seit 1474 vom Mailänder Herzog Galeazzo Maria Sforza geprägt wurde und seinen Namen von der testa erhielt, dem Kopf des Münzherren auf der Vorderseite. Vermutlich im Jahr 1587, zum 100. Geburtstag von Ulrich, ließ Herzog Ludwig goldene Abschläge der Vierteltaler seines Großvaters prägen.
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II.7 Das Chorbuch der Stuttgarter Hofkapelle
Das einzige erhaltene Chorbuch aus der Frühzeit der Stuttgarter Hofkapelle entstand um 1507 und wurde in Tübingen von dem Nachfolger des dort bis 1501 nachweisbaren Buchbinders Johannes Zoll gebunden. Mehrere Blätter sind inzwischen verloren gegangen; einige weisen Beschädigungen auf.
Die Handschrift enthält zehn Messen, ein Te Deum und zwei Motetten, Sacerdotem Martinum und Vita dulcedo (d.h. Salve Regina). Vier der Messen lassen sich den international berühmtesten Komponisten der Renaissance zuweisen: Antoine Brumel komponierte die Missa sine nomine (fol. 66) und die Missa Ut re mi fa sol la (fol. 104), Josquin Desprez die Missa L´homme armé sexti toni (fol. 75) und Jacobus Obrecht die Missa S. Martini (fol. 189). Das Chorbuch veranschaulicht in beeindruckender Weise den Anspruch, mit dem die Hofkapelle Herzog Ulrichs auftrat. Sie sollte auch seinen Ambitionen entsprechen, repräsentative höfische Kultur auf höchstem Niveau vorzustellen.
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II.11 Das Statutenbuch der Stadt Tübingen
Das Tübinger Statutenbuch enthält eine Reihe von Handwerksordnungen, Geboten, Verboten sowie Urkundenabschriften, die in der städtischen Kanzlei festgehalten wurden. Der älteste, datierbare Text stammt von 1484, der jüngste von 1546. Auf dem Innenspiegel des hinteren Umschlagdeckels finden sich zwei Einträge mit Bezug zur Familie Breuning. Hier hat der Tübinger Vogt Konrad Breuning mit eigener Hand sein persönliches Motto notiert: Erkenn din schöppffer / dannck dinem Erlöser / vörcht din richtter. Und daneben der Hinweis: Conrat brünig ist züm / vogt ampt Erstlich komen / Anno 1492. Der Tübinger Vogt hat also das Statutenbuch zeitweise offenbar selbst geführt. Der zweite, darüber stehende Eintrag, von anderer Hand, verzeichnet einen weiteren Wahlspruch, der sich auf Konrads Bruder Sebastian Breuning († 1516) bezieht: Gott geb gnad In allen dingen / Sebastian bruning anno 1510.
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II.12 Ansicht von Urach
Die Stadtansicht von Urach mit der darüber gelegenen Festung Hohenurach bietet einen zeitnahen, detaillierten Eindruck von der ehemaligen Residenzstadt. Die Stadt an der Erms wird überragt vom Turm der Amanduskirche, auf der anderen Seite ist das herrschaftliche Residenzschloss der Herzöge zu erkennen, wo sich auch Herzog Ulrich gerne aufhielt. Als begeisterter Jäger konnte er von hier aus seinem Jagdvergnügen in die benachbarten, wildreichen Wälder nachgehen, was vor Ort immer auch als gesellschaftliches Ereignis gelten sollte.
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II.14 Zwei Jagdspieße
Jagdspieße wurden bei der Hatz auf Schwarzwild verwendet. Man ließ das Wild aus nächster Nähe auf den Spieß auflaufen und erlegte es mit einem Stoß ins Herz. Das erforderte Geschick und Mut, da Schweine sehr starke Tiere sind und den Jäger bei einem Fehlstoß oder beim Zerbrechen des Spießes schwer verletzen oder sogar töten konnten. Sauspieße mussten also extrem stabil sein. Ihre Schäfte wurden deshalb nicht aus zugeschnittenem Holz, sondern aus kleinen, gerade gewachsenen Bäumen hergestellt. Zur besseren Griffigkeit wurden sie mit angenieteten Lederbändern umwickelt. Alternativ verwendete man Bäumchen, die durch Schnitte in der Rinde viele kleine Äste angesetzt hatten. Die Astansätze bildeten eine unebene Oberfläche und gaben dem Jäger Halt.
Damit die Waffen nicht zu tief in das Tier eindringen konnten, waren an den meisten Jagdspießen unterhalb des Blattes feste oder bewegliche Auflaufknebel angebracht. An einem der hier präsentierten Spieße besteht der Knebel aus einem Eberhauer, der vermutlich in doppelter Weise dem Schutz des Jägers diente: zum einen in seiner rein praktischen Funktion, zum anderen als Unheil abwehrender Talisman, der direkt an der Waffe angebracht wurde.