III. Der "Arme Konrad" in Aufruhr
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III.2 Das Amt Urach
Eines der Zentren des Widerstands im Aufstand des ‚Armen Konrad‘ war das Amt Urach. In der Anfangsphase der Erhebung organisierten Singerhans aus Würtingen und Bantelhans aus Dettingen (Erms) schlagkräftige Widerstandsgruppen, die im Kern 60 Aufständische umfassten. Sie wollten längerfristig offenbar eine Massenbewegung vorbereiten, deren Ziel der Sturz der bestehenden herrschaftlichen Verhältnisse war. Orte der Zusammenkunft, Beratung und Planung des ‚Armen Konrad‘ waren die sogenannten ‚Ratschläge‘, konspirative Versammlungen, die in der Regel im Wohnhaus eines führenden Anhängers stattfanden. Die Anhänger des ‚Armen Konrad‘ im Amt Urach kamen auf der Alb in Würtingen um Singerhans zusammen, im Ermstal trafen sie sich in Martin Metzgers Haus in Metzingen.
Die zeitnah gefertigte Karte des großen Uracher Amts zeigt die waldreiche Landschaft um die frühere württembergische Residenz Urach und die zugehörigen Amtsdörfer. Das Amts- und Stadtwappen ziert ein Hifthorn.
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III.4 Die Beschwerden von Metzingen
Unter dem Druck der aufrührerischen Bauern hatte Herzog Ulrich nicht nur schnell seine neuen Steuern zurückgenommen, sondern endlich einen Landtag angekündigt, wo auch die Vertreter der Landgemeinden gehört werden sollten. Zur Vorbereitung des auf Ende Juni 1514 nach Stuttgart einberufenen Landtags sollten die Gemeinden ihre Beschwerden gegenüber der Landesverwaltung sammeln, die dann zusammengeführt und auf dem Landtag verhandelt werden sollten. Allein aus dem Amt Urach sind 19 Beschwerdehefte mit rund 260 einzelnen Beschwerdepunkten erhalten.
Die Beschwerden von Metzingen stehen beispielhaft dafür und betonen zunächst den großen Wildschaden, der die Ernte an Korn und Wein verderbe. Auch sollte das Äckerich, die Waldweide für die Schweine, wieder frei sein, wie in den Nachbargemeinden, und nicht vom Forstmeister gepachtet werden müssen. Und wenn von den Hunden, die man für die Herrschaft halten müsse, einer verloren gehe, würde man auch vom Forstmeister dafür belangt. Schließlich hätte man früher auch Vögel schießen oder junge Vögel aus den Nestern holen können, was jetzt vom Forstmeister bei einer Geldstrafe verboten sei.Durchluchtiger, Hochgeborner Fürst, gnediger herre, V[wer] f[ürstlichen] g[naden] Bitten wir armen, mit undertäniger erbietung, diß vnnser Supplicacion gnediglich zu vernemen […]
Nemlich des ersten, des willden gewillds, das vnns ain verderplichen, onlidennlichen großen schaden thůt tag vnd nacht an vnnsern früchten, win vnd korn, och waz der armmann nießen vnd leben sol, vnd geet vnns mit der nachthut großen costen daruff.
Zum anndern haben wir die beschwerd, des äckers halb, daz wir armen vnnsere aigne weld Selle vnd müsse vmb den vorstmayster beston, daz doch ettlich vnnsere nachpuren nit thund, Namllich tettingen, Eningen, pfullingen vnnd ettlich mer.
Zum dritten So wir armen v[wer] f[ürstlichen] g[naden] hund ziechen, die vnns von [!] vorstmayster geben werden, wo dan ain arman ain hund verliret oder Im gestolen, wurt der arman vom vorstmayster vmbtriben vnd von ettlichen daz gebott genomen worden. […]
Zum Sybennden vnd letzten So ist allwegen von alter gewest, daz ain armman hat terffen ain wilden vogel schießen, och Jung vogel von dem nest niemen, daz unns och vom vorstmayster an ain guldin, wer das thůt, verbotten worden. […]V[wer] f[ürstlichen] g[naden] gehorsamen Vndertärnigen Libsverwanndten, gericht vnd gemaynde z Metzingen
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III.11 Das Amt Böblingen
Während des ‚Armen Konrad‘ verweigerten auch Aufständische im Böblinger Amt Frondienste und Abgaben. Einige zogen auch zum Engelberg bei Leonberg, wo sich der gewaltbereite Teil der Erhebung sammelte. Auf der Karte abgebildete Amtsdörfer wie Dagersheim, Holzgerlingen oder Schönaich bemühten sich während des Aufstandes, ihre Beschwerden in den Amtsversammlungen gegenüber der dominierenden Amtsstadt durchzusetzen.
In der Amtskarte nimmt das Wappen der Amtsstadt Böblingen seinen Platz in der oberen Mitte ein: Eine Fahne dreilatzige Fahne, die auf die ehemalige Herrschaft der Pfalzgrafen von Tübingen verweist.
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III.12 Ein Kommentar der Witwe Gerlach
Eine amtliche Zusammenstellung über Äußerungen zum ‚Armen Konrad‘ in der Stadt Böblingen zitiert auch die Witwe des Böblinger Vogts Jörg Gerlach. Diese habe im Waschhaus zu anderen Frauen gesagt, dass nie eine bessere Sache „aufgestanden“ sei als der ‚Arme Konrad‘, denn Herzog Ulrich sei ein Narr und ginge mit Narren – in seiner Regierung – um.
[…] Item so hat die alt vogtin, Jerg Gerlachß selgen wettwen zu böblingen, Im weschhuß gesagtt zu andern frowen: Es sey nie kain besser ding uff gestanden, dann der ‚Arm Conrat‘. Denn unnser g[nediger] her sey ain narr und hendel mitt naren, mit fyll ungeschickten worden. Als die frowen, so Im weschhuß auch gewessen sind, ainß thaelß von ir ußgeben, mir kunden aber auch kain andern grund anzeigen, den uff die frawen.
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III.13 Eine Botschaft der Aufständischen an den Vogt
Bemerkenswerterweise hat sich unter den amtlichen Schriftstücken zum Aufruhr des ‚Armen Konrad‘ in Böblingen auch ein kleiner Zettel erhalten, der die klare Botschaft der Aufständischen an den Vogt Erhart Jäger vermittelt, dass er und der Amtsschreiber nicht mehr gelitten seien.
Item vogt, du sollt wissen, das wir Din nit merer wöllent vnnd des amptschribers ouch. Vnd Du hast vns von erb vnd aigen, wyb vnd kinden lassen gepietten on verschult der sach, wann wir V oder VI Jar lang gellt Inn hettent, das ains anndern wer gewesen, wie lvettin (?) an vns dann gethon hon etc.
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III.16 Dreschflegel und Morgenstern
In den bildlichen Darstellungen des frühen 16. Jahrhundert, gerade in Zeichnungen und Holzschnitten, werden Bauern oft mit ihren Arbeitsgeräten gezeigt und bezeichnet. Meist sind dies Rechen oder Dreschflegel, die noch über Jahrhunderte in der Feldarbeit bzw. zum Dreschen des Korns eingesetzt wurden. Während der Bauernaufstände wurden auch Arbeitsgeräte als Waffen eingesetzt und dafür präpariert. Ein außergewöhnliches Beispiel ist der zu einem Morgenstern umgearbeitete Dreschflegel, der als bäuerliche Waffe gefährlich werden konnte.
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III. 18 Stadtschlüssel
Von zentraler Bedeutung für die aufständischen Bauern im ‚Armen Konrad‘ war die Übernahme der Herrschaft in den württembergischen Amtsstädten: Dafür sollten den herrschaftlichen Amtsträgern die Schlüssel zu den Stadttoren abgenommen werden, um die Kontrolle über die Stadt und den Schutz ihrer Mauern zu gewinnen. Die Verfügung über die Stadtschlüssel – wie in Schorndorf oder Güglingen – zeigt die frühen Erfolge des ‚Armen Konrad‘ an, die bereits in einigen Fällen Ende Mai 1514 gelangen. Selbst in der Landeshauptstadt Stuttgart mussten (am 7. Juni) die Torschlüssel vorübergehend an Vertreter der Bürgerschaft ausgeliefert werden, in Schorndorf an Aufständische aus den Amtsdörfern.