V. Der "Arme Konrad" in der politischen Propaganda
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V.1 Ein Reimspruch für den "Armen Konrad": "Wer wissen woell wie die sach stand"
Aus den Anfangswochen des Aufstands um den ‚Armen Konrad‘ ist ein Reimspruch zu den Vorgängen in Württemberg erhalten geblieben: Eine gedruckte Flugschrift, bestehend aus vier Blättern, die sich an ein breites Publikum richtet und in 128 Versen von dem Aufruhr berichtet. Der Titelholzschnitt zeigt einen armselig gekleideten Bauern mit Rechen, der einem mit Hellebarde bewaffneten, gerüsteten Herrn gegenübersteht. Beide Holzschnitte stammen aus unterschiedlichen Vorlagen, die für dieses Bild neu zusammengesetzt wurden. Offenbar musste der Druck sehr schnell und nachlässig erfolgen, wie auch viele Druckfehler anzeigen. Erschienen ist er wohl spätestens Anfang Juni 1514, da der Text mit dem Ausblick auf den bevorstehenden Landtag endet.
Das Spruchgedicht stammt von einem anonymen Verfasser, der von der Zusammenrottung der Bauern im Remstal und ihren Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit und Herzog Ulrich berichtet. Er lässt sich unschwer als Sympathisant der Bewegung um den ‚Armen Konrad‘ erkennen und erklärt die Rechtmäßigkeit ihrer Empörung. Sicher sollten damit weitere Unterstützer geworben werden, gerade in Hinblick auf die Verhandlungsposition der Bauern im Landtag, wo sie sich jetzt einbringen durften. Gleichzeitig spricht aus den Reimen die ängstliche Ungewissheit des Verfassers, der eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Bauern und Herrschaft befürchtet. Daher wendet er sich auch an die bürgerliche „Ehrbarkeit“ und die adeligen „Herren“ und fordert sie abschließend zu verantwortungsvollem Handeln auf:Got wöll, daß es zergang zům besten! Ir edlen, strengen und ir vesten, handeln treulich in dieser sach, daß niman kum in ungemach, dardurch dem lant enstand kein mie! Da mit wil ich beschließen hie.
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V.2 Ein Reimspruch gegen den "Armen Konrad": "Geschriben stad in disem buch"
Nach der Unterdrückung des ‚Armen Konrad‘ im August 1514 erschien ein umfangreicher Reimspruch im Druck, der den Aufstand aus der Perspektive der Herrschaft verurteilte und zur weiteren Abschreckung dienen sollte. Der ‚Arme Konrad‘ wird als ‚Bundschuh‘ dargestellt, sein Widerstand gegen die Obrigkeit wird kriminalisiert und Herzog Ulrichs rigoroses Vorgehen gegen die Aufständischen gerühmt:
Gschriben stad in disem buch
Wie vffkommen wolt der bundschůch
Im werden würtenberger land.
Sein rechter nam ward im verwand
Vnd ward der arm Conrat genannt.Der gut informierte, anonyme Autor wird in der bürgerlichen Führungsschicht von Tübingen gesucht und mit dem bekannten Humanisten Heinrich Bebel (1472-1518) in Verbindung gebracht. Der Druck entstand in der Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff, der hier sicher auch sein ehrbares, städtisches Publikum ansprechen wollte. Geschmückt ist sein Titelblatt mit einem Holzschnitt, der einen gewappneten Reiter mit Fahnenlanze vor einer grob stilisierten Landschaft zeigt. Der Text berichtet ausführlich über den ‚Armen Konrad‘ bis zur Niederschlagung des Aufstandes und das Strafgericht über die Aufständischen entsprechend den offiziellen Ausschreiben Herzog Ulrichs, die Mitte August 1514 erschienen (vgl. V 3), und ist ebenfalls zeitnah zu datieren.
Bislang nicht beachtete handschriftliche Nachträge auf dem Titelblatt des Drucks geben zwei unbekannte Distichen des elsässischen Humanisten Jakob Wimpfeling zum ‚Bundschuh‘ wieder. Die ausführlichen Nachträge am Textende stellen ebenfalls den Kontext zu den damaligen Aufständen des ‚Bundschuh‘ am Oberrhein her und zeigen die gemeinsamen Verbindungen aus Sicht des verängstigten städtischen Bürgertums an.
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V.5 Der Achtspruch Kaiser Maximilians
Mit diesem Mandat, das vielfach als notariell beglaubigter Druck im deutschen Reich verbreitet wurde, schließt sich Kaiser Maximilian der Verfolgungsaktion Herzog Ulrichs gegen die Aufständischen an. Er setzt die flüchtigen Aufständischen des ‚Armen Konrad‘ in die Reichsacht und gebietet ihre Verfolgung und Auslieferung. Der Notar Peter Bach beglaubigte den Druck mit Notarssignet und Unterschrift.
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V.6 Kaiser Maximilian I. als oberster Richter
Maximilian I. regierte als deutscher König seit 1486 und dann als Kaiser bis zu seinem Tod 1519. Er erhob 1495 auf dem Reichstag in Worms Württemberg zum Herzogtum und bestimmte hier anschließend auch die politische Entwicklung wesentlich mit. Besonderen Einfluss hatte er zunächst auf Herzog Ulrich, den er bei der Aushandlung und Autorisierung des „Tübinger Vertrags“ ebenso unterstützte wie bei der Niederschlagung des Aufstands und die Verfolgung der Anhänger des ‚Armen Konrad‘.
Die Miniatur zeigt den thronenden Kaiser mit Kaiserkrone, Schwert und Reichsapfel in den Händen als Herrscher, obersten Gerichtsherrn im Reich und Wahrer des Friedens. Er ist umgeben von den Wappenschilden seiner eigenen Herrschaften.
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V.8 Herzog Ulrichs Jagdlied
Im Liederbuch des Kölner Druckers Arnt von Aich († 1530), das ab etwa 1510 mehrfach aufgelegt wurde, erscheint mit dem Text „Ich schell mein horn“ eine Melodie, die Herzog Ulrichs Jagdlied genannt wird. Das Liederbuch umfasst 75 vierstimmige Liedsätze und spiegelt vor allem höfisches Repertoire vom Augsburger Bischofshof des frühen 16. Jahrhunderts wider, als Graf Friedrich von Hohenzollern den Bischofssitz innehatte. Die Melodie des Liedes findet sich hier jeweils auf einzelnen Blättern im Tenor, Diskant, Alt und Bass notiert, daneben steht das Textblatt, das drei Strophen des Liedes bietet.
In der württembergischen Geschichtsschreibung wurde das Jagdlied Herzog Ulrich nicht nur in den Mund gelegt, sondern er wurde auch als sein Dichter angesehen. Jedenfalls war nicht nur Herzog Ulrichs Leidenschaft für die Jagd und die Musik bekannt, sondern auch seine Fertigkeit, auf dem Jagdhorn zu blasen.(1) Ich schell mein horn in jamersthon,
mein freud syndt mir verschwunden.
Vnd hab geiagt on abelan,
es lauft noch vor den hunden
eyn edels gwildt in disem gfild
als ichs het außerkoren,
es scheucht ab mir, als ich es spir,
mein yagen ist verloren.(2) Far hin gewild in waldes lust
ich wil nit mer erschrecken
Myt iagen dein schneweisse brust,
ein ander můß dich wecken
vnd jagen frei mit hundes krei,
da du nit magst entrinnenn.
Halt dich in hůt, mein tirlein gůt,
mit leidt scheid ich von hinnen.(3) Keyn edlers thir ich iagen kann,
des můß ich offt entgelten.
Noch halt ich stetz vff iegers pann,
wie wol mir gluck kumpt selten,
mag mir nit gon ein hoch wild schon,
so loß ich mich beniegen
an hasne [!] fleischs nit mer ich eisch,
das kan mich nit betriegen.
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V.9 Ein Lied im Ton der "Bruder Veit": "Mit Lust so will ich singen"
Aus dem politischen Umfeld um Herzog Ulrich sind etliche Lieder bekannt, deren Texte sich auf die aufsehenerregenden zeitgenössischen Ereignisse in Württemberg im Anschluss an den Aufstand des ‚Armen Konrad‘ beziehen. Als Einblattdruck wurde damals ein Liedtext verbreitet, der in seiner Überschrift auch angibt, in welcher Melodie das Lied zu singen ist: Das lied singt man in brůder Viten thon. Da auch das bekannte geistliche Lied ‚Lobt Got jr Christen allen‘ im Ton des ‚Bruder Veit‘ gesungen wurde, ist die Melodie für dieses Lied um Herzog Ulrich klar. Sie erscheint zeitgleich im Tenor der fünfstimmigen Bearbeitung des Liedes ‚Lobt Got jr Christen allen‘ von Stephan Mahu (etwa 1480-1541), später Vizekapellmeister am Hof König Ferdinands I.
Der Liedtext berichtet zunächst von Versuchen, Herzog Ulrich aus seinem Land und seiner Herrschaft zu vertreiben, die einzelnen Mitgliedern der württembergischen Landschaft vorgeworfen werden. Dabei wird konkret auf politische Vorkommnisse des Jahres 1515 angespielt, wobei der Tübinger Vogt Konrad Breuning und andere den Kaiser für eine Absetzung Herzog Ulrichs gewinnen wollten. Der Herzog und der Kaiser werden gerühmt und gewarnt, sich vor den Intrigen am Hof zu hüten:(1) Mit lust so will ich singen,
frölichen heben an
von neuw geschehen dingen,
als ich vernomen hon.
Wie man Herzog Vlrichen
wolt treiben auß seim land;
das stat in lästerlichen,
dies angefangen handt.
[…](21) Damit wil ich beschliessen
Die schöne meledy.
Herr, durch dein blůt vergießen
won Herzog Vlrich bey!
„Wer komen wöl, der komme,
die kromschafft, die ist fayl“,
sprach sich der fürst so frome;
Got geb vns glück und hail. Amen.