Die Reformation in der Grafschaft Wertheim
Graf Georg II. von Wertheim stellte sich sehr früh auf die Seite der Reformation. Und dies sicher nicht nur, weil er von den reformatorischen Lehren Luthers überzeugt war, sondern auch, weil damit eine Intensivierung der eigenen Staatlichkeit und Abgrenzung von den mächtigen Nachbarn, dem Erzstift Mainz und dem Hochstift Würzburg, möglich wurde.
Wohl bereits Mitte 1518 ließ Graf Georg unter dem Eindruck von Luthers 95 Thesen ein Mandat gegen kostspielige Leichenbegängnisse und Jahrtagsstiftungen an die Tür der Wertheimer Stiftskirche schlagen. Auf dem Wormser Reichstag 1521 hatte der junge Wertheimer Graf dann erstmals Gelegenheit, Luther persönlich kennenzulernen. Georg gehörte als Vertreter des Standes der Grafen und Herren dem Reichstagsausschuss an, der Luther zum Widerruf bewegen sollte. Luther widerrief nicht, und ein Jahr später bat Graf Georg den Standhaften um die Empfehlung eines geeigneten Predigers für Wertheim.
Johann Eberlin von Günzburg muss als der eigentliche Reformator der Grafschaft bezeichnet werden. Nachdem er 1526 zunächst in den Pfarrort Remlingen gekommen war, wurde er wenig später als Vertrauter Graf Georgs zum Superintendenten der Grafschaft. Es folgten reformatorische Maßnahmen: 1527/28 verfasste Eberlin eine Kirchenordnung für die Grafschaft, 1528 wurden die Feiertage reduziert und die Kirchengüter systematisch inventarisiert. Als Graf Georg 1530 starb, konnte die Reformation in der Grafschaft keineswegs als abgeschlossen gelten, es bestanden beide Lehren nebeneinander, der Protestantismus hatte aber eine solide Grundlage erhalten.
Vollendet wurde die Reformation der Grafschaft unter Graf Michael III. von Wertheim. 1552 unterstellte er die Klöster Grünau und Holzkirchen gräflicher Verwaltungsaufsicht. Die Mönche gingen ins Exil, die Erträge und Güter fielen teilweise an den Grafen, teilweise an das Chorstift oder das Hospital. Im Kloster Bronnbach trat der 1548 gewählte Abt Clemens Leusser 1552 selbst zum lutherischen Glauben über. Damit hinterließ Graf Michael III. "eine verhältnismäßig gefestigte evangelische Landeskirche" (Wehner, S. 225).
Die Einführung der Reformation in der Grafschaft Wertheim ist somit als jahrzehntelanger, generationenübergreifender Prozess anzusehen.
Weiterführende Literatur:
- Wehner, Thomas: Wertheim, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, Bd. IV, Münster 1992, hg. v. Anton Schindling/Walter Ziegler, S. 214-232.
- Hermann Ehmer: Luther und Wertheim, in: Wertheimer Jahrbuch 1977/78, 79-97.
- Simon, Matthias: Zur Reformationsgeschichte der Grafschaft Wertheim, in: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 29 (1960), 121-144 (mit einer Edition der wichtigsten Quellen aus den Standbüchern des Staatsarchivs Würzburg).
- Monika Schaupp: Die Reformation in der Grafschaft Wertheim, in: Forschungen zu Stadt und Grafschaft Wertheim. Festschrift für Erich Langguth zum 95. Geburtstag, hg. von Monika Schaupp, Frank Kleinehagenbrock, Jörg Paczkowski, Wertheim 2018, S. 109-140.
- Michael Weber: Barbara von Wertheim. Vormundschaftliche Regentin in der Reformationszeit, in: gelurt. Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2017, S. 41-55.
- Scherg, Leonhard: Zur Geschichte der Zisterzienserabtei Bronnbach, in: Kloster Bronnbach 1153-1803. 650 Jahre Zisterzienser im Taubertal, hg. von Peter Müller, Wertheim 2003, S. 11-35, bes. S. 24 ff.