Da hat der Sohn dem Vater aber ein Süppchen eingebrockt
Johann Georg Dietrich trägt eine schwere Last. Als junger Mann von 24 Jahren drängt ihn seine Mutter dazu, das elterliche Gut zu übernehmen. Doch trotz harter Arbeit bleibt die Ernte aus. Die Familie bangt ums Überleben. Doch in der Not rücken die Dietrichs nicht zusammen. Im Gegenteil: Johann Georgs Vater weigert sich, mit dem Sohn an einem Tisch zu sitzen. Dieser sorgt für seine Eltern - er muss sogar für sie aufkommen. Bei der Übernahme des Hofes ließ er sich dazu verpflichten, seinen Eltern die Hälfte des Ertrags zu überlassen - bis zu ihrem Lebensende.
Die Unterhöfener kennen Johann Georg Dietrich als fleißigen Arbeiter und guten Haushälter. Er lebt friedliebend, still und zurückgezogen auf seinem Gut - doch das feindselige Verhalten seines Vaters belastet ihn sehr. Im Dorf ist bekannt, dass der alte Dietrich ein bösartiger, unverträglicher und arbeitsscheuer Mensch sein soll. Auch seine Gattin sei getrieben vom Eigennutz, erzählt man sich. Und man hat Mitleid mit dem armen Bauernjungen, der Tag für Tag ums Überleben der Familie kämpft.
Keiner jedoch kennt die geheimen Gedanken des Johann Georg Dietrich. So groß ist der Hass auf den Vater, dass er immer wieder daran denkt, ihn umzubringen. Arsen ist im Haus. Johann Georg hatte es ursprünglich zur Rattenbekämpfung gekauft, doch man könnte damit doch auch . . . Doch der 24-Jährige verwirft die Gedanken schnell, stürzt sich in die Arbeit. Im Sommer 1817 bekommt seine Wut jedoch neue Nahrung. Er streitet sich heftig mit seinem Vater, der wutentbrannt aufs Feld flüchtet. In diesem Moment steht für Johann Georg Dietrich fest: Ich werde ihn töten! Nach Öhringen zum Erntefest ist seine Frau mit den Kindern gefahren. Seine Mutter wärmt gerade die Suppe für den Vater. Sie habe schon gegessen, ließ sie ihren Sohn wissen. Aber der Vater werde doch bestimmt hungrig vom Feld heimkehren. Johann Georg Dietrich nutzt die Gelegenheit. Er schleicht sich in die Küche und mischt das Arsen in den Suppentopf. Dann geht er auf den Hof und geht seiner Arbeit nach als ob nichts geschehen wäre.
Doch Johann Georg wird vom Ächzen seiner Mutter ins Haus gelockt. Weil der Vater so lange auf sich warten ließ, hatte sie doch noch einmal von der Suppe gekostet. Krämpfe suchten die Frau heim und sie ist sich sicher: Das hat mit der Suppe zu tun! Sie fordert ihren Sohn auf, von der Suppe zu kosten. Er nimmt ein kleines Löffelchen und taucht es in den großen Kochtopf. Wird es mir schaden, fragt er sich. Das Schlückchen Suppe wandert seine Kehle hinunter. Johann Georg verspürt keinen Schmerz, bekommt keine Krämpfe. So serviert er dem Vater nach der Heimkehr in aller Seelenruhe sein Abendessen. Die heiße Suppe dampft im Teller, der Vater schlingt die Mahlzeit nur so hinunter. Johann Georg schaut dem Vater zu - und wartet, bis das Arsen seine Wirkung entfaltet. Allzu lange muss sich Johann Georg nicht gedulden. Wenige Minuten später verlässt sein Vater den Raum. Er muss sich übergeben und sein Kreislauf wird schwach. Sechs Stunden später verstirbt er in seinem Bett. Auch die Mutter überlebt die Kostprobe der Suppe nicht. Johann Georg hat aus Furcht, seine Tat könnte entdeckt werden, keinen Arzt gerufen.
Die Nachbarn zählen eins und eins zusammen. Sie hatten nach der vor Schmerzen stöhnenden Frau geschaut und dabei erfahren, dass ihr von einem Teller Suppe übel geworden sei. Anzeige wird erstattet. Die Ermittler fackeln nicht lange. Sie lassen die Leichen der Eltern obduzieren - und es steht fest: Michael und Anna Dietrich wurden vergiftet. Besonders betroffen scheint der einzige Sohn Johann Georg über den Tod seiner Eltern jedoch nicht zu sein. Die Behörden schöpfen Verdacht und durchsuchen die Giftbücher in Öhringen. Der Beweis ist erbracht. Johann Georg hatte bereits 1815 Arsen gekauft.
Doch Johann Georg schweigt. Obwohl das Verhör in seinem eigenen Haus im Beisein der obduzierten Leichen geschieht. Er greift sogar theatralisch nach der kühlen Hand der Mutter, dankt ihr für alles und hofft, er werde sie im Himmel wieder sehen. Doch die Ermittler sind sich einig: Johann Georg Dietrich hat seine Eltern ermordet. Er wird nach Öhringen ins Gefängnis gebracht. Auf dem Weg dorthin sprudelt es nur so aus Johann Georg heraus. Ja, er habe seine Eltern umgebracht, grausam vergiftet mit Arsen.
Vor dem Kriminalrat Mergentheim wiederholt er das Geständnis seiner grausamen Tat. Die Richter geben die Akten nach Ellwangen weiter, wo die Richter ihr Urteil fällen: "dass derselbe zur Richtstätte geschleift, mit dem Rade von oben vom Leben zum Tod gebracht, sofort der Kopf auf den Spieß gesteckt und der Körper auf das Rad geflochten, auch alle Kosten aus dem hinterlassenen Vermögen des Dietrich bezahlt werden sollen."
Später erscheint eine Broschüre zu dem Fall, detailliert ist der grausame Mord beschrieben. Der König verfolgt damit ein Ziel: "Möge das Vaterland nie wieder ein ähnliches Beispiel menschlicher Verworfenheit ausweisen können."
Der Artikel wurde am 27. August 2005 in der Ludwigsburger Kreiszeitung veröffentlicht. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der LKZ.
Akteneinsicht
Die Akten können im Staatsarchiv Ludwigsburg unter den Signaturen E 341 Bü 91 und IL 425 Tom. XVIII 63 bestellt und eingesehen werden. Der Lesesaal ist unter der Telefonnummer 07141/18-6337 erreichbar.