Leberfleck als Indiz für Buhlschaft mit dem Teufel
Das kann nur Teufelswerk sein! Das Vieh am Schlossberg muss von einer Seuche befallen sein. Nach und nach sterben die Tiere. Das kann einfach nicht mit rechten Dingen zugehen. In Eggenrot ist man sich sicher: Gift hat die Tiere in den Tod getrieben. Da kann nur eine Hexe ihre Finger im Spiel gehabt haben. In der Fürstpropstei Ellwangen ist man um 1600 von der Hexerei überzeugt. Zahlreiche Missernten und Viehseuchen lassen Bauern verzweifeln. Sie suchen nach einem Grund für das Unglück - und finden diesen schließlich im Übernatürlichen. Das kann nur Teufelswerk sein!
Anna Lutzin gerät bald in den Blick der Hexenverfolger. Die Witwe des Kuhhirten Utz Lutz wird unter anderem des Schadenszaubers beschuldigt. Sie soll die Weide am Schlossberg vergiftet haben - auch das Viehsterben soll auf das Konto der vom Teufel getriebenen Frau gehen. Und tatsächlich: Man findet bei Anna Lutzin ein diabolisches Zeichen. Das Muttermal auf dem Rücken kann nur vom Teufel stammen. Ein Signum. Für die Richter der Fürstpropstei Ellwangen ein eindeutiges Indiz für die Buhlschaft mit dem Teufel.
Anna Lutzin wird festgenommen und verhört. Unter Fürstpropst Johann Christoph I. von Westerstetten bleibt den Beschuldigten im Prozess "durch massiven und unregulierten Foltereinsatz kaum eine Chance, sich dem abgeforderten Geständnis zu entziehen", schreibt Wolfgang Mährle in seinem Werk zur Hexenverfolgung in der Fürstpropstei Ellwangen. So gesteht Anna Lutzin ihre Liaison mit dem Teufel.
Elisabeth Schottin - bereits im Sommer des Vorjahres hingerichtet und verbrannt - habe sie in das Hexenwerk eingeführt. Auf eine Lichtung im Wald sei man gefahren, um einen teuflischen, unholden Tanz zu vollführen. "Mit Leib und Seele" habe sie sich einem bösen Geist ergeben. "Gott, dem Allmächtigen und allen Heiligen" habe sie abgesagt, der christlichen Taufe widersprochen und sich von dem "bösen Geist auf seine teuflische Weise anders taufen lassen", ist im Verhörprotokoll dokumentiert. Ihr Signum - das Muttermal auf dem Rücken - sei Zeichen der Taufe, erklärt die Beschuldigte.
Doch das ist den Ermittlern nicht genug. Schließlich gab es so manche Missernte und die vergiftete Wiese zu erklären. So gesteht Anna Lutzin, dass sie und ihre Gespielin die Weide am Schlossberg derart vergiftet hätten, dass das Schlossvieh deswegen eingegangen sei. Zehn Jahre lang habe sie sich an der Schlossmühle aufgehalten, und in dieser Zeit auch "100 Stück Frischgeflügel" getötet. Auch der Tod zweier Kühe seien ihr anzulasten.
Anna Lutzin nennt den Ermittlern auch weitere Hexen. So habe sie gemeinsam mit Oswaldt Möhrlin ein Büblein getötet. Bereits 15 Jahren zurück liege der Mord an einem fünfjährigen Büblein. Ebenfalls vor vielen Jahren habe sie zudem ein Mädchen und ein junges Knäblein umgebracht. Ebenfalls leugnet Anna Lutzin nicht, dass sie immer wieder an unholden Tänzen teilgenommen und mit dem Teufel "Unzucht getrieben" habe.
Das Urteil fällt: Anna Lutzin habe "solche erschröckliche Missetaten begangen", dass sie mit dem Feuer "vom Leben zum Tode hingerichtet" werden soll. Doch in der Fürstpropstei war die Hexerei damit nicht genug bestraft. Der Witwe sollten beide Brüste mit glühend heißen Zangen weggerissen werden - eine davon auf dem Rathausplatz, die andere bei Siegfriedszell nach einem Marsch über die Landstraße. Doch Anna Lutzin wird begnadigt - wie so viele der Hexerei beschuldigten Frauen. Allerdings bewahrt sie die Begnadigung nicht vor dem Tode. Sterben musste auch Anna Lutzin - nachdem ihr die linke Brust abgerissen und sie hingerichtet wurde, verbrannte ihre Leiche auf dem Scheiterhaufen.
Der Artikel wurde am 6. August 2005 in der Ludwigsburger Kreiszeitung veröffentlicht. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der LKZ.
Akteneinsicht
Die Akte kann im Staatsarchiv Ludwigsburg unter der Signatur B 412 BÜ 60 bestellt und eingesehen werden. Der Lesesaal ist unter der Telefonnummer 07141/18-6337 erreichbar.