Wenn die geliebte Gattin zur Giftmischerin wird
Christiane Ruthardt ist eine junge Frau mit einer bewegten Vergangenheit. Als 20-Jährige erfährt sie, dass sie ein Kind einer verbotenen Liaison ist. Die Hauptmannswitwe Henriette von Lehste und der Hofmedicus von Klein hatten einst ein romantisches Tete-a-tete - doch von dem kleinen Spross aus der leidenschaftlichen Verbindung durfte die Öffentlichkeit nicht erfahren. Deswegen wächst Christiane Ruthardt unter gefälschtem Namen bei verschiedenen Pflegefamilien in Ludwigsburg auf. Unter dem Namen "Mayer, Tänzers Tochter aus Frankfurt", kennt man sie. Als solche verdient sie jahrelang als Dienstmädchen ihren Unterhalt.
400 Gulden - ein kleines Vermögen - vermacht ihr ihre letzte Dienstherrin. Das Glück scheint perfekt, als sie im Jahr 1839 den Stuttgarter Goldarbeiter Eduard Ruthardt heiratet und mit ihm in die Torstraße nach Stuttgart zieht.
Doch der Ehemann verprasst das Vermögen. Er hält sich für einen genialen Erfinder, steckt das Geld in Bücher und Maschinen. Eine kleine Tochter wird kurze Zeit später geboren. Doch ihr Ehemann hat nichts als seine Erfindungen im Kopf.
Binnen kürzester Zeit steht die junge Familie vor einem Scherbenhaufen. Das geerbte Vermögen ist aufgebraucht, der Schuldenberg wächst und wächst.
Christiane Ruthardt weiß keinen Ausweg mehr. Denn eine Scheidung kommt nicht in Betracht. Die altwürttembergische Eheordnung von 1689 macht eine legale Trennung so gut wie unmöglich. So schmiedet sie einen unheimlichen Plan.
Bei sechs Ärzten versucht sie unter dem Vorwand, die Rattenplage bekämpfen zu wollen, an Arsenik zu kommen. Das Gift solle den Tieren den Garaus machen, erzählt sie den Ärzten. Drei von sechs verschreiben der jungen Frau das Mittel. Doch sie setzt es nicht gegen die tierischen Plagegeister ein, sie mischt es ihrem Gatten ins Essen und in seine Medizin.
Dieser klagt im Frühjahr 1842 das erste Mal bei seinem Stuttgart Hausarzt Dr. Voettiner über "unzeitiges Unwohlsein, trübe Stimmung und kranken Unterleibe". Am 24. April verschlechtert sich sein Zustand rasant: Der Arzt attestiert eine akute Magenentzündung, verordnet Brausepulver, legt Blutegel an und rät der Ehefrau, Senfteig auf den Magen ihres Mannes zu legen. Erst einige Tage später verschwinden die Symptome.
Das Leid der jungen Familie spricht sich in der Nachbarschaft herum. Man bietet Christiane Ruthardt Hilfe an, ist betroffen vom schlechten Gesundheitszustand des jungen Mannes. Am 9. Mai gibt es gute Nachrichten. Eduard Ruthardt leide zwar unter einer "hartnäckigen Gastritis enteritis mucosa", sei durch die häufigen Durchfälle und das heftige Erbrechen sehr geschwächt, so der Arzt. Ruthardt könne aber "über die Krankheit Herr werden".
Wohl zu gute Neuigkeiten für die verzweifelte Gattin. Denn am 10. Mai eilt sie - angeblich verzweifelt - zum Hausarzt und bittet um sofortigen Besuch ihres Mannes, denn "es seye sehr schlimm mit ihm geworden".
Dr. Voettiner findet Ruthardt mit eingefallenem Gesicht, kalten Gliedern und aufgeblähtem Bauch - und kann ihm nicht mehr helfen. Zur Mittagszeit stirbt Eduard Ruthardt am 11. Mai 1844. Christiane Ruthardt sitzt am Krankenbett und wird gestützt von ihrer Schwiegermutter.
Doch die Witwe macht für die Außenstehenden einen gefassten Eindruck, macht sich gleich an die Vorbereitungen für die Beisetzung. Vier Stunden nach Ruthardts Tod wird seine Ehefrau festgenommen. Polizeidiener Gölz bringt sie direkt auf das Kriminalamt Stuttgart.
Ein Zufall hat die wahre Ursache der Leiden des jungen Ruthardt ans Licht gebracht: Einen Tag vor Ruthardts Tod war Diakon Hofacker zu Besuch, hatte dem schwer kranken Mann Trost zugesprochen. Danach traf er sich mit seinem Schwager zu einem Spaziergang. Dort erzählt er ihm und seiner Gattin von seinem Krankenbesuch bei Ruthardt. Schlagartig erinnert sich des Schwagers Frau an eine Begebenheit im Haus ihres Hausarztes Dr. Johann Wilhelm Camerer. Dort habe sie Christiane Ruthardt getroffen, die sich ein Abführmittel sowie eine Portion weißen Arsenik zur Rattenvergiftung verschreiben ließ . . .
Das Geständnis der jungen Gattin lässt nicht lange auf sich warten. Am 4. Februar 1844 wird sie zum Tode verurteilt. Die Gnadengesuche ihres Verteidigers aus Marbach - er hatte ein psychologisches Gutachten beantragt - werden verworfen. Am 23. Juni pilgern tausende Stuttgarter zur Feuerbacher Heide. Dort wird die junge Frau mit dem Schwert hingerichtet.
Der Artikel wurde am 3. Juni 2005 in der Ludwigsburger Kreiszeitung veröffentlicht. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der LKZ.
Akteneinsicht
Die Akte kann im Staatsarchiv Ludwigsburg unter der Signatur E 319 Bü 159 - 160 bestellt und eingesehen werden. Der Lesesaal ist unter der Telefonnummer 07141/18-6337 erreichbar.