Wie der Schultheiß die Täter mit einer List überführt
Andreas Herold ist ein gefragter Zimmermann. Auch wenn ihm sonst wenig positive Eigenschaften zugeschrieben werden - er gilt als dumm, unzuverlässig und dem Alkohol sehr zugetan - überzeugt er mit Können in seinem Handwerk. Jahrelang zieht er von Ort zu Ort. Seine Rosine vermisst ihn nicht sehr. In Oberkessach erzählt man sich ohnehin, dass die beiden nicht glücklich miteinander sind.
1831 kehrt er nach Oberkessach zurück, bezieht mit Rosine das Haus seiner Eltern. Doch nicht nur das Ehepaar wohnt unter diesem Dach. Die Hebamme Regina Arnold hat im Dachgeschoss ein Wohnrecht auf Lebenszeit. Mit dieser Nachbarin kann es kein gutes Auskommen geben. Denn Regina Arnold ist nicht nur ein geschwätziges Weib. Sie schafft es auch immer wieder, Menschen gegeneinander aufzuhetzen. So gelingt es ihr auch, dass Rosine ihrem Mann nicht mehr über den Weg traut. Doch 1839 stirbt Rosine. Andreas Herold trauert nicht allzu lange. Bereits am 16. Februar 1841 heiratet der 63-jährige Herold die blutjunge Walburga Schweikert. 25 Jahre alt ist das Mädchen, das alles andere als wahre Liebe im Sinn hat. Sie sieht die Ehe mit Andreas Herold als "gute Zukunftssicherung". Geliebt aber hat sie den Soldaten Bernhard Appel. Auch Walburga war nicht gefeit vor den Sticheleien der Hebamme. "Bring ihn doch um", fauchte sie immer wieder zu der jungen Frau, wenn diese ihr unglücklich ihr Leid klagt. Was Walburga allerdings nicht weiß: Ihr geliebter Soldat Appel hat nicht nur mit ihr sein Bett geteilt. Auch Regina Arnold lockt den jungen Mann immer wieder in ihre Kammer - und Appel kann den weiblichen Reizen nicht widerstehen.
Im August 1841 ist Walburga am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte sich eine "Versorgungsehe" einfach anders vorgestellt - zu sehr forderte Herold ihre ehelichen Pflichten ein. Sie hingegen hatte mit einem baldigen Tod ihres alten Mannes gerechnet. Sie beschließt - gemeinsam mit ihrem geliebten Appel - den Weg für das junge Glück zu bereiten. Als Andreas Herold am 29. August betrunken von einer Zechtour nach Hause kommt, lauert sie ihm hinter der Tür auf. Schwummrig ist es Herold, es war wohl wieder einmal ein Glas zu viel. Er dreht den Schlüssel im Schloss, torkelt in seine Wohnung, als ihn ein schwerer Schlag trifft. Walburga schmettert ihm einen dicken Wackerstein auf den Hinterkopf. Andreas Herold sinkt zu Boden. Aber er lebt noch. Bernhard Appel tritt den alten Mann mit Füßen, stößt ihn die Treppe hinunter. Regungslos bleibt Herold auf den Stufen liegen. Ganz oben steht die Hebamme und blickt teilnahmslos ins Treppenhaus. Doch wohin mit dem toten Herold? Der junge Soldat packt den Toten und schleift ihn mitten in der Nacht an den Ortsrand. Dort wirft er den Toten in die Kessach.
In Berlichingen wird Herold am nächsten Tag vermisst. Dort sollte er bei Dacharbeiten zur Hand gehen. Der Bauherr fährt zu Walburga, erkundigt sich nach ihrem Ehemann. "Fortgefahren ist er heute morgen, um sich neues Werkzeug machen zu lassen", lässt sie den Berlichinger wissen. Als Herold auch abends nicht auftaucht, gibt der Schultheiß eine Vermisstenmeldung auf. Sieben Tage später schrecken zwei schreiende Mädchen ganz Oberkessach auf. Hysterisch rennen die beiden Zwölfjährigen durch den Ort, links und rechts der Straße recken die Bewohner die Köpfe aus den Fenstern. Ein Toter wurde im Bach entdeckt - bis zum Bauch liege er im Wasser. Der Schultheiß eilt zum Fundort, schickt gleichzeitig einen Kurier zum Oberamt nach Künzelsau. Es dauert nicht lange, bis eine ganze Heerschar von Ermittlern den kleinen Ort erreicht. Keiner spricht sie aus, die Vermutung, die alle haben: Das muss der Herold sein! Von seinem Gesicht ist kaum mehr etwas zu erkennen. Doch seine Kleider und sein Hut, der einige Meter flussaufwärts im Gebüsch hängt, lassen keine Zweifel an seiner Identität.
An Ort und Stelle obduzieren Mediziner den Leichnam. Sie sind sicher: Andreas Herold wurde ermordet. Sowohl an der Schläfe als auch am Hinterkopf finden sie Knochenbrüche. In Oberkessach munkelt man gleich, dass Walburga und ihr Geliebter dahinter stecken könnten. Auch das Verhältnis zwischen der Hebamme und dem Soldaten kommt ans Licht. Die drei werden verhört - und der Schultheiß pokert: "Die anderen beiden haben gestanden, nun geben Sie's doch auch zu", sagt er zur Hebamme. Sie kommt ins Stottern und gesteht, ebenso die anderen beiden. Der Kriminalsenat Ellwangen verurteilt die drei: Ihnen soll der Kopf abgehackt werden.
Am 4. September 1843 wird das Urteil in Künzelsau vollstreckt. Kaum hat der Scharfrichter sein Werk vollendet, tritt Pfarrer Haßler auf das Schaffott und hält vor den Leichen und ihren Köpfen seine Predigt: "Von solch schauderhaften und schmerzlichen Empfindungen war mein Herz noch nie ergriffen."
Der Artikel wurde am 3. September 2005 in der Ludwigsburger Kreiszeitung veröffentlicht. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der LKZ.
Akteneinsicht
Die Akten können im Staatsarchiv Ludwigsburg unter den Signaturen E 341 Bü 83-90 bestellt und eingesehen werden. Der Lesesaal ist unter der Telefonnummer 07141/18-6337 erreichbar.